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Kirchenkreis Charlottenburg-Wilmersdorf bietet Ehrenamtlichen viele Möglichkeiten

Kirchenmusik | Foto zur Verfügung gestellt von der Pressestelle des Evangelischen Kirchenkreises Charlottenburg-Wilmersdorf

In dieser Podcast-Episode von “Charlottenburg in Bewegung” steht das ehrenamtliche Engagement im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf im Mittelpunkt. Oliver Springer spricht mit Juliane Kaelberlah, der Beauftragten für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, über die vielfältigen Möglichkeiten ehrenamtlichen Engagements.

Mit insgesamt 17 evangelischen Kirchengemeinden und einer Reihe von Einrichtungen gibt es viele Möglichkeiten, sich ehrenamtlich zu engagieren. Gleichzeitig wären das kirchliche Leben und die kirchlichen Angebote ohne Ehrenamtliche nur sehr begrenzt möglich. Juliane Kaelberlah weist darauf hin, dass statistisch gesehen auf einen hauptamtlichen Mitarbeiter in der Kirche vier Ehrenamtliche kommen.

Juliane Kaelberlah von der Pressestelle des Kirchenkreises | Foto zur Verfügung gestellt von der Pressestelle des Evangelischen Kirchenkreises Charlottenburg-Wilmersdorf

Die Podcast-Folge beleuchtet verschiedene Bereiche ehrenamtlichen Engagements, darunter karitative Angebote wie Suppenküchen, Nachtcafés für Obdachlose, Besuchsdienste in Pflegeheimen, Chöre und Musikgruppen, Kinder- und Jugendarbeit, Veranstaltungen, Gottesdienste und Gemeindeleitung.

Ein ungewöhnliches Beispiel für ehrenamtliches Engagement ist das “Cafe Theater Schalotte”, ein Projekt des Kirchenkreises, das eine Bühne für Kleinkunst im Kiez bietet. Juliane Kaelberlah erklärt, dass die Organisation und Durchführung dieses Projektes fast ausschließlich von Ehrenamtlichen geleistet wird.

Café Teater Scharlotte | Foto: Andreas Krause | Foto zur Verfügung gestellt von der Pressestelle des Evangelischen Kirchenkreises Charlottenburg-Wilmersdorf

Ein weiteres besonderes Projekt ist die Zusammenarbeit mit einem Partnerkirchenkreis in Tansania. Diese Partnerschaft besteht bereits seit vier Jahrzehnten und hat sich von einem Entwicklungshilfeansatz immer mehr zu einer Partnerschaft auf Augenhöhe mit gegenseitigem Lernen entwickelt.

Hervorgehoben wird der Aspekt der Professionalisierung des Ehrenamtes, was nicht zuletzt bedeutet, die Bedürfnisse der Engagierten stärker als bisher zu berücksichtigen.

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Evangelischer Kirchenkreis Charlottenburg-Wilmersdorf
Wilhelmsaue 121
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Telefon: 030 74 74 04 92
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Transkript zur Episode

Oliver Springer: Charlottenburg in Bewegung, ich bin Oliver Springer. Unser Thema in dieser Folge ist “Ehrenamtliches Engagement im Kirchenkreis Charlottenburg-Wilmersdorf”. Zu Gast ist dafür Juliane Kaelberlah von der Pressestelle des Kirchenkreises. Hallo.

Juliane Kaelberlah: Hallo, freut mich sehr.

Oliver Springer: Stell dich am besten selbst vor.

Juliane Kaelberlah: Ja, mein Name ist Juliane Kaelberlah. Ich bin seit acht Jahren Beauftragte für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Wir mögen es immer mit den langen Bezeichnungen. Das heißt also, ich kümmere mich um die Öffentlichkeitsarbeit von den 17 Gemeinden, die wir haben, den evangelischen in Charlottenburg-Wilmersdorf, aber auch Einrichtungen wie unserem Bildungszentrum, dem Campus Daniel, und berate Gemeinden in der Öffentlichkeitsarbeit.

Oliver Springer: Über das, was der Kirchenkreis Charlottenburg-Wilmersdorf insgesamt so an Veranstaltungen, Aktivitäten, Serviceleistungen, Bildungsangeboten und so weiter zu bieten hat – allein aufgrund der Menge, du hast ja gesagt: 17 Gemeinden sind im Kirchenkreis – da könnten wir drei oder vier Podcast-Folgen machen, machen wir jetzt aber nicht.

Wir haben uns heute einen Aspekt herausgesucht, der auch für so gut wie alles andere von großer Bedeutung ist: die Möglichkeiten für ehrenamtliches Engagement. Denn das stelle ich jetzt einfach mal so als Aussage in den Raum: Ohne ehrenamtliches Engagement, da wäre das Angebot sehr überschaubar.

Juliane Kaelberlah: Es wäre gar nicht möglich. Schon nach der Statistik ist es so, dass auf einen Menschen, der beruflich bei der Kirche, also bei der Evangelischen Kirche arbeitet, ganze vier Ehrenamtliche kommen. Also das ist wirklich eine ganze Menge, wenn die von heute auf morgen wegfielen, wäre das kirchliche Leben … tot. Und in Berlin sind so 46.000, was ich auch viel finde, die sich ehrenamtlich in ganz vielen Feldern bei uns engagieren, übrigens mehrheitlich Frauen.

Und wenn wir jetzt mal so gucken, was wir an ehrenamtlichen Möglichkeiten haben, sich zu engagieren, dann haben wir echt eine riesige Vielfalt. Also, wir haben so diese typischen karitativen Angebote, wie Suppenküchen, Nachtcafés für obdachlose Menschen, Besuchsdienste in Pflegeheimen oder in Krankenhäusern. Wir haben aber auch, was man gar nicht so als Ehrenamt wahrnimmt, Chöre und Musikgruppen, also die ganze Kirchenmusik.

Dann die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, die Reisen die wir mit denen auch machen. Den Konfer, früher hieß es ja Konfirmandenunterricht noch ganz streng, aber eben auch Veranstaltungen und Gottesdienste und die Leitung der Gemeinden, die auch ehrenamtlich ist.

Oliver Springer: Zum Teil. Ich glaube, da kommen wir auch noch drauf zurück. Lass uns beim Blick auf einzelne Möglichkeiten für das ehrenamtliche Engagement mit einer Besonderheit beginnen, die, ja, viele auch überraschen könnte, nämlich mit dem “Cafe Theater Schalotte”

Juliane Kaelberlah: Ja, ein sehr schönes Haus. Kennst du das eigentlich?

Oliver Springer: Das kenne ich. Ich war früher in der Luisen-Gemeinde öfter. Und wir hatten da auch unser eigenes Medienprojekt übrigens, Medienprojekt Charlottenburg. Aber, das ist eine ganz andere Sache. Ja, das kenne ich.

Juliane Kaelberlah: Ja, das ist ja ein altes Kino aus den 1930er Jahren, das … Baldur Lichtspiele hießen sie früher. Und seit den 80er Jahren ist das ein Projekt unseres Kirchenkreises. Das heißt, wir haben dort die Bühne, treten da aber nicht selber auf, sondern geben Kleinkunst, Konzerten, Bands, Comedy, den Pop- und Jazz Chortagen, Total Choral und dem “berliner a cappella festival” dort eine Bühne für Kleinkunst im Kiez.

Oliver Springer: Treten da eigentlich auch, oder gibt es da auch Veranstaltungen von Gruppen, die aus der Kirche sind?

Juliane Kaelberlah: Ja, gibt’s auch, gibt es auch. Auch mit Jugendlichen.

Oliver Springer: Und das Organisatorische wird dann im Wesentlichen von Ehrenamtlichen geleistet?

Juliane Kaelberlah: Das wird, bis auf eine Kollegin, die so ein bisschen die Fäden in der Hand hält, das alles koordiniert, komplett ehrenamtlich geleistet.

Das sind 20 Leute, die dort arbeiten, und die machen wirklich alles. Also die setzen sich hin, wenn Künstler*innen-Anfragen kommen, planen gemeinsam das Programm, leiten die Technik, also gucken, dass nicht nur die Bühne gut aussieht, gut ausgeleuchtet ist, sondern dass auch alles gut klingt und die stehen auch hinter der Bar.

Eine Original war aus den 30er Jahren übrigens. sehr, sehr sehenswert. Ja, also die schmeißen den ganzen Laden und haben dabei auch noch eine Menge Spaß.

Oliver Springer: Das ist ja ziemlich große Sache, das ist ja eine Sache, ob man so ein kleines Nachbarschaftscafé betreibt, so wie es in der Gemeinde irgendwie so ist. Da, wo es dann nur irgendwie so Standard-Kaffee und eine Packung Kekse gibt.

Juliane Kaelberlah: Das ist schon ein bisschen mehr.

Oliver Springer: Oder eine kulturelle Institution.

Juliane Kaelberlah: Ja.

Oliver Springer: Sehr geschätzt, meist auch von Menschen, die mit Kirchen und Religionen gar nichts anfangen können, sind karikative Angebote, nein! Karitative Angebote der Kirche … Auch die sind ja in dieser umfangreichen Form nur dank der Ehrenamtlichen möglich.

Juliane Kaelberlah: Ja, das ist richtig, und es ist oft auch das Erste, was den Menschen einfällt, wenn sie an ein Ehrenamt bei der Kirche denken. Ach ja, das sind ja die, die sich immer um andere kümmern. Das stimmt auch, aber es ist eben noch viel mehr.

Bei uns sind diese Angebote vor allen Dingen in der Kältehilfe. Also wir haben in der Kirchengemeinde am Lietzensee eine Suppenküche, die in der Kältehilfe-Saison November bis März da ist, wo obdachlose Menschen Montag bis Mittwoch ein Essen bekommen.

Wir haben zwei Nachtcafés, wo obdachlose Menschen schlafen können im Warmen. Wir haben “Laib und Seele”, die Lebensmittelausgabestellen, wo Bedürftige Lebensmittel bekommen. Natürlich auch Angebote für geflüchtete Menschen. Besuchsdienste für Leute, vor allen Dingen für ältere Menschen, die alleine sind. Also das ist auch ein ganz breites Spektrum.

Oliver Springer: Und auch die Gottesdienste machen die Pfarrer nicht alleine.

Juliane Kaelberlah: Nee, das stimmt, sie haben natürlich ein großes Team, sowieso an der Seite, aber auch Lektorinnen oder Lektoren oder Prädikantinnen und Prädikanten, heißt das, können Gottesdienste selber halten und Lesungen halten, Prädikantinnen und Prädikanten sogar Taufen und Abendmahl halten.

Sie müssen sich aber ausbilden lassen. Also, das ist ein Ehrenamt, aber man braucht vorher ein bisschen Schulung.

Oliver Springer: Aber auch drum herum, so ein Gottesdienst … also klar, zur Not, kann ein Pfarrer sich hinstellen, kleinen Gottesdienst machen. Klar! Aber wenn noch ein bisschen mehr sein soll oder allein schon Gesangbücher ausgeben und so, wenn er das alles alleine macht … Okay, wenn nicht so viele Leute kommen, das ist ein anderes Thema, aber wenn dann doch mal doch mehr da sind, dann braucht man auch da ein Team.

Juliane Kaelberlah: Ja, also jetzt klassisch in den Weihnachtsgottesdiensten, die anstehen. Das sind die, ich will sie mal die guten Geister nennen, die man gar nicht so sieht, die aber diesen Laden am Laufen halten, die eben auch für den Blumenschmuck auf dem Altar sorgen, ja, wie würde traurig das Aussehen, wenn da gar nichts stünde?

Den Kaffee kochen, das klingt so profan, fürs Kirchencafé, wo sich Leute nach dem Gottesdienst vielleicht noch auf eine Tasse Kaffee treffen, miteinander reden, was so los ist in der Nachbarschaft. Ohne die wär’s kalt und karg.

Oliver Springer: Ein wichtiger Teil von Gottesdiensten ist Musik. Das ist ebenfalls ein Thema für ehrenamtliches Engagement, das auch dann über die Gottesdienste hinausreicht.

Juliane Kaelberlah: Ja, man kann sich eigentlich eine Kirche ohne Musik gar nicht vorstellen. Das hat ja gerade in der Evangelischen Kirche auch eine große, große Tradition. Wir haben so 1.000 Menschen ungefähr, die in Charlottenburg-Wilmersdorf bei uns in Chören singen, in großen Kantoreien, die jetzt auch zu Weihnachten mit Weihnachtsoratorium und so natürlich ihre Auftritte haben.

Aber auch in Instrumentalgruppen und kleineren Chören, die sich also in der Freizeit treffen und sagen: Wir haben vor allen Dingen Freude am Singen. Wir wollen vielleicht gar nicht unbedingt auftreten, aber wir haben Spaß, zusammen zu sein. Und ein großes Musikprojekt für Jugendliche haben wir jedes Jahr, seit diesem Jahr.

Oliver Springer: Das ist, denke ich, auch gleich ein gutes Beispiel mit der Musik, wie sich sozusagen ehrenamtliches Engagement mit eigener Nutzung eines Freizeitangebots dann vermischt und gar nicht so exakt zu trennen ist.

Juliane Kaelberlah: Das ist richtig. Und die Hauptmotivation, ehrenamtlich tätig zu werden, das hat man untersucht, und das ist Spaß.

Ja, und das ist auch gut. Also warum soll das nicht Spaß machen? Jemand der Spaß an der Arbeit hat, auch Spaß an seinem Ehrenamt, der wird das auch gut machen. Die zweite Motivation ist übrigens, kommt relativ nah dahinter, anderen helfen zu wollen. Und warum soll man das nicht verbinden?

Oliver Springer: Ja … Für Jugendliche hat die Kirche einige Angebote, und Jugendliche sind auch selbst aktiv.

Juliane Kaelberlah: Das ist richtig, zum Beispiel als “Teamer”. Das heißt, Teamer sind Jugendliche, die selbst schon konfirmiert sind und dabeibleiben wollen und auch ihre Erfahrungen weitergeben möchten. Man braucht da keine speziellen Vorkenntnisse, man ist dann quasi, ja, ein Teil des Konfirmandenunterrichts – oder des “Konfers” – wie wir ja sagen.

Man kann auch in Kindergottesdiensten oder in Kindergruppen mithelfen. Man kann moderieren, Spiele einleiten und einfach andere Jugendliche, die im selben Alter sind, begleiten. Das ist auch wichtig, weil das nicht mehr so dieser Frontalunterricht ist, ja. Du lernst hier zehn Gebote auswendig und kriegst fünf Stempel, wenn du in den Gottesdienst gehst, sondern es geht ja vor allen Dingen darum, Gemeinschaft zu erleben. Und das können eben Jugendliche aus derselben Peergroup an andere Jugendliche auch manchmal besser rausgeben, besser vermitteln.

Und trotzdem ist natürlich ein Jugendmitarbeiter, eine Mitarbeiterin oder ein Pfarrer oder ’eine Pfarrerin dabei, die das anleiten. Aber es ist eben ein bisschen mehr ein Gemeinschaftsprojekt, als das früher war.

Oliver Springer: Und darüber hinaus gibt es natürlich auch noch ganz andere Formen für Jugendliche, wo sich engagieren können. Eins hast du ja schon gesagt, bei der Musik. Was ist das für ein Projekt, um da noch mal kurz zurückzugehen?

Juliane Kaelberlah: Das ist ein großes Jugend-Musikprojekt, das wir in diesem Jahr zum ersten Mal gemacht haben. In diesem Jahr zum Thema “Improvisation”: Also Jugendliche, die schon ein Instrument spielen, dieses Level haben natürlich, können sich da treffen und werden über mehrere Wochen gemeinsam improvisieren üben, lernen, besuchen Jazzclubs und Impro-Clubs in der Stadt, also tauchen in diese Impro-Szene in Berlin ein. Und vielleicht gibt’s am Ende auch einen Auftritt. Und das steht jedes Jahr unter einem anderen Motto.

Das ist natürlich so ein “kleines Ehrenamt”, so projektbezogen. Die gehen danach vielleicht auch wieder weg. Die hatten vielleicht vorher mit der Kirche gar nicht so viel zu tun, vielleicht bleiben sie aber auch und sagen: Hey, das war spannend, was habt ihr denn noch so?

Oliver Springer: Klar, es gibt auch eben Angebote, die nicht so langfristig orientiert sind. Manche Sachen erfordern natürlich ein bisschen langfristiges Engagement, also Konfirmandenhelfer zu sein ist nichts, was man mal für einen Monat macht.

Juliane Kaelberlah: Ja, bestenfalls.

Oliver Springer: Ja, also und andere Sachen – klar, die kann man auch einfach mal so ausprobieren, mehr spontan, ja. Die Lebensmittelausgabe hattest du schon angesprochen. Das gibt es in mehreren Gemeinden?

Juliane Kaelberlah: In vier Gemeinden mittlerweile bei uns. Das ist ja eine Aktion der Berliner Tafel, der Kirchen und des RBB. Das heißt, die Bedürftigen können in ihrem Kiez Lebensmittel abholen, müssen also nicht quer durch die Stadt fahren oder selber einkaufen gehen. Und da ist immer superviel zu tun.

Das ist vor allen Dingen für ältere im Ehrenamt interessant, weil das häufig vormittags oder mittags ist, also für Berufstätige ein bisschen schwieriger. Und man braucht Fahrerinnen und Fahrer, die in Supermärkten die Lebensmittel abholen, die sie sortieren, die sie ausgeben, aber auch die mit den Menschen, die da kommen, einfach ein Wort wechseln.

Es geht ja nicht darum, einfach nur Lebensmitteltüten über die Theke zu schieben und einen schönen Tag zu wünschen, sondern auch ein bisschen zu gucken, wer kommt denn da eigentlich?

Oliver Springer: Sonst könnt man auch einen Lieferdienst anbieten …

Juliane Kaelberlah: Sonst könnte man einfach auch einen Lieferdienst anbieten, richtig. Aber das ist dann auch vielleicht so ein bisschen die Komponente, wo wir sagen was ich am Anfang sagte: Wir versuchen für die Menschen da zu sein und wir nehmen die Menschen auch so, wie sie zu uns kommen, ja, und reden mit ihnen. Nicht, wir haben die guten Worte und schicken sie dann weg, sondern das ist auch eine Möglichkeit, für die Menschen rauszukommen, sich auszutauschen.

Oliver Springer: Was bestimmt nicht jeder weiß: Es gibt eine Partnerschaft mit Tansania und das ist schon ganz schön lange.

Juliane Kaelberlah: Ja, seit mehr als 40 Jahren. Ich war dieses Jahr gerade selber mit der Arbeitsgruppe im Januar in Tansania. War wieder sehr, sehr beeindruckend! Wir haben da seit 1979 einen Partner-Kirchenkreis, auch so ein bisschen “Kirchensprech”. Wir haben einfach eine Partnerschaft mit Gemeinden und der Kirche, der evangelischen da vor Ort.

Das war anfangs noch sehr, sehr beschwerlich, man hat da noch Briefe ausgetauscht. Und wer mal runter fuhr, der hat dann irgendwie alles mitgenommen. Container wurden gesendet, ein Milchkuh-Projekt gab es da. Also, das war eher wirklich so Entwicklungshilfe. Und das hat sich über die Jahre und Jahrzehnte aber mehr und mehr wirklich auf so, auf so eine partnerschaftliche Basis begeben.

Das heißt also: Unsere Partner vor Ort, die da in Kirchengemeinden sind, haben Projekte, an denen sie arbeiten, lassen und uns daran teilhaben. Es gibt einen kulturellen Austausch, möchte ich mal sagen. Also, wir fahren nach Tansania, haben aber auch Gäste aus Tansania hier. Das ist in Berlin dann immer besonders spannend, wenn die mit uns unterwegs sind.

Wir haben ein Projekt, das Straßen- und Waisenkinderhaus “Huruma Centre”, heißt das. Das ist in den 90er Jahren entstanden. Es hat die Kirche da ein Haus gegründet, weil es eine große AIDS-Epidemie gab und Kinder auf der Straße gewohnt haben. Und mittlerweile, damals fing es in einer alten Reifenfabrik an, ist das wirklich ein ganz professionell geführtes Haus.

Und das ist das Projekt, das wir auch finanziell unterstützen, wo wir Spenden für sammeln. Aber es soll schon weggehen von diesem “Wir kommen und geben das Geld und sagen euch, wie ihr es machen müsst”, hin zu “Wir lernen auch von euch”, ja.

In Tansania sind die Kirchen voll. Da sind junge Menschen in der Kirche, da sind Kinder in der Kirche, die haben kein Problem, Ehrenamtliche zu finden. Also, wir können da eine ganze, ganze Menge lernen – auch eine Menge Sitzfleisch mitbringen, weil tansanische Gottesdienste dauern so drei Stunden.

Oliver Springer: Uiiii.

Juliane Kaelberlah: Ja, das ist wirklich schön.

Oliver Springer: Du hast vorhin schon kurz angesprochen: Sogar im Leitungsbereich sind die Ehrenamtlichen dabei, sage ich mal Stichwort “Gemeindekirchenräte”.

Juliane Kaelberlah: Ich weiß gar nicht, ob das so viele Leute wissen, aber: Pfarrerinnen oder Pfarrer sind ja keine Könige, die da oben in der Gemeinde sitzen und alles alleine entscheiden, sondern sie haben ein Gremium um sich aus Menschen, die sind meistens berufstätig oder schon in Rente, die ehrenamtlich sich hinsetzen und diese Gemeinde leiten, also die über alle Fragen entscheiden, die wichtig sind, damit diese Gemeinde existieren kann.

Also, wie gehen wir mit den Kirchensteuermitteln, um die wir haben? Wollen wir vielleicht ein Café aufmachen für die Nachbarschaft in unserer Kirchengemeinde? Wollen wir mehr für Kinder machen bei uns und wer könnte das machen? Wer könnte die Ehrenamtlichen da zusammentrommeln? Aber auch: Wie sanieren wir unser Kirchengebäude?

Oliver Springer: Ich wollte es gerade ansprechen, so große Pläne haben die Menschen, aber dann wird das ganze Geld für Sanierung gebraucht. Das kenne ich, das kenne ich noch.

Juliane Kaelberlah: Am besten kann man das Geld für alles ganz gut einsetzen, aber wir haben halt alte Gebäude, und die müssen wir auch nicht nur in puncto Klimawandel einfach fit machen.

Das gehört auch dazu, und jeder sucht sich dann sicherlich auch so die Aufgaben, die ihm vielleicht auch qua Beruf liegen. Aber es ist eben auch Demokratie im Kleinen. Und das gestaltet nicht nur so eine Gemeinde innerkirchlich, sage ich jetzt mal, sondern die ist ja nicht im luftleeren Raum.

Die ist ja in einem Kiez, die ist in dem Bezirk. Und das strahlt auch auf die Gesellschaft aus, wenn Menschen selber was gestalten können, wenn die entscheiden können, was soll es hier an Angeboten geben, wie soll der Laden hier in zehn Jahren aussehen? Das finde ich großartig, und das ist unbekannt, glaube ich, dass das so ein ehrenamtliches Gremium gibt.

Oliver Springer: Ja, diese ganze Struktur, diese Gremienstruktur, die ist weitgehend unbekannt, glaube ich.

Juliane Kaelberlah: Klingt ja auch nicht so sexy, muss man sagen.

Oliver Springer: Manche Menschen haben Spaß an so was. Und das geht ja dann auf die nächste Ebene: auf die Kreisebene und die Landesebene. Und überall gibt’s dann Delegierte und viele Treffen.

Ja, gibt’s noch ein spezielles Angebot im Kirchenkreis, was du besonders ansprechen möchtest?

Juliane Kaelberlah: Also, man hat es mir vielleicht vorhin schon angehört, ja. Ich, ich schwärme schon für diese Arbeit mit Tansania. Das hat aber einfach auch so meinen persönlichen Hintergrund. Ich reise halt gerne. Ich mag diesen kulturellen Austausch gern, ich mag diesen Blick über den Tellerrand, und ich mag auch diese Gruppe, in der wir arbeiten.

Das ist eine ganz tolle Gruppe, macht Spaß mit den Leuten. Aber ich möchte eigentlich eher dahin gehen, dass man sagt, wir haben so eine große Vielfalt, da muss jeder selber auch das entdecken, was er gerne mag, und vielleicht auch einfach mal stöbern oder mal bei uns nachfragen: Wo könnte ich mich denn engagieren, ja?

Das kann man nämlich bei uns einfach, auch wenn man sagt: Ich gucke, aber so richtig ist da für mich nichts dabei, ich habe aber eine tolle Idee ich bin vielleicht Rentnerin, Rentner und wollte schon immer mal das und das machen. Wir haben die Räume und wir begleiten die Leute auch.

Oliver Springer: Ja, also das ist durchaus eine Möglichkeit, selbst Gruppen zu gründen auch. Die sind ja, die meisten Gruppen sind ja nicht irgendwie von oben entstanden.

Juliane Kaelberlah: Nee, die sind gar nicht von oben entstanden, sondern es kommen auch wirklich Leute zu uns. Aber was uns halt auch wichtig ist, ist: das Ehrenamt auch professioneller zu machen. Ja, früher war es so, da waren ja viel mehr Leute auch kirchlich gebunden, das heißt sie sind da irgendwann mal so reingewachsen und haben dann angefangen den Kirchen-Kaffee zu kochen und haben das 40 Jahre lang gemacht oder den Kindergottesdienst immer geleitet, das waren die Ehrenamtlichen, das wird verschwinden.

Ja, die gibt es jetzt noch, aber das wird verschwinden. Und das heißt also, wir müssen viel mehr gucken: Was haben die Leute auch für Bedürfnisse? Was, was wollen die auch machen? Warum wollen die denn ehrenamtlich arbeiten? Stichwort Spaß, was ich vorhin schon sagte. Und sie eben auch nicht allein zu lassen, also nicht zu sagen: Schön, dass du jetzt hier im Nachtcafé arbeitest mit den Obdachlosen, kannst du gleich anfangen, sondern zu sagen, schnupper’ einfach mal rein, guck mal, ob es das ist, was du dir eigentlich auch vorgestellt hast. Und wenn es das nicht ist, sag es ehrlich, dann finden wir was anderes. Es soll niemand irgendwie sich gezwungen fühlen, was zu machen, wo er sagt: Habe ich mir anders vorgestellt, ist gar nicht mein Ding, macht mir keinen Spaß.

Oliver Springer: Du hast gesagt, bestimmte Sachen werden verschwinden. Liegt das daran, dass die Kirchen Mitglieder verlieren und sich das auch auf die Ehrenamtlichenarbeit auswirkt, oder wird das Ehrenamt nicht eigentlich gestärkt, wenn die Kirche insgesamt irgendwie schrumpfen muss, auch finanziell vor allem?

Juliane Kaelberlah: Ich glaube, das Ehrenamt wird gestärkt, aber wir müssen mit dran arbeiten. Also das wird nicht von alleine passieren. Das passiert eben dann, wenn man sagt: Hey, wir brauchen euch, wo seid ihr eigentlich? Wenn man sagt: Ihr müsst ja nicht im bibelfest sein, um bei uns zu arbeiten.

Also sich auch in die Gesellschaft zu öffnen und auch wirklich diese Vielfalt, von der ich am Anfang gesprochen habe, auch sichtbar zu machen. Dann bekommen wir vielleicht auch eher Leute, die zu uns kommen und sagen: Das mache ich gerne! Und eben auch die Leute, wie es früher oft war, nicht so zu vereinnahmen. Nicht zu sagen: Schön, dass du da bist, du musst jetzt 20 Jahre hier bleiben, weil Du hast dich jetzt hier verhaftet, sondern zu sagen: Okay, wie viel Zeit bringst du mit? Was möchtest du machen? Willst du projektbezogen arbeiten? Wann möchtest du arbeiten?

Also viel mehr auf die Leute einzugehen. Und wenn wir das auf so eine professionelle Ebene holen und die Leute nicht einfach reinholen und sagen: Ihr müsst jetzt hier mitmachen und ihr seid jetzt ewig da, dann wird uns das auch gut gelingen, glaube ich und dann ist es ja auch eine Chance, ja. Also Ehrenamt ist immer auch eine Chance für Demokratie und Dinge zu gestalten, selber in die Hand zu nehmen.

Oliver Springer: Was ich noch ansprechen will, du hast es kurz schon gestreift: nicht bibelfest sein zu müssen, ja, muss nicht sein, kann aber?

Juliane Kaelberlah: Es hilft vielleicht, aber es ist überhaupt keine Voraussetzung. Also niemand muss, wir gucken keine Taufurkunden durch, man muss nicht mal religiös sein.

Natürlich muss man offen dafür sein. Man kommt in manchen Bereichen mehr, in manchen weniger, damit ja schon in Berührung mit den, sagen wir mal vielleicht eher mit den Lebensfragen, die das so mit sich bringt. Also, was ist denn der Sinn, was kann ich an die Gesellschaft weitergeben, was haben wir für ein Menschenbild?

Darüber reden wir natürlich auch, aber es steht nicht im Vordergrund, es schwingt eigentlich eher so mit, und wenn jemand sagt: Ich kann mich mit den Werten, die die Kirche vermittelt, eigentlich gut identifizieren, oder es interessiert mich einfach, ich finde das spannend, was sie da machen, ich finde das gut, was sie da machen. Dann ist uns jeder herzlich willkommen und wir freuen uns, wenn die Leute kommen.

Oliver Springer: Bei euch in der Pressestelle, da habt ihr einen guten Überblick, habe ich so vermutet, deshalb habe ich auch euch speziell kontaktiert. Aber inzwischen habe ich gelernt: Es gibt sogar eine Koordinatorin fürs Ehrenamt und da können wir dann vielleicht noch mal den, den Aspekt der Professionalisierung ansprechen.

Juliane Kaelberlah: Ja. Ulrike Reuter heißt die Kollegin, die ist noch recht neu, seit diesem Jahr. Heißt auch Beauftragte. Wir lieben ja die langen Bezeichnungen. Beauftragte für Ehrenamt und Engagement, heißt es, weil man sie nicht so gut trennen kann. Aber sie hat tatsächlich eine Koordinierungsfunktion. Das heißt, wenn jetzt jemand sagt, wie ich vorhin angesprochen hatte: Ich habe die und die Kenntnisse, die und die Fähigkeiten, aber ich weiß gar nicht so richtig, wo ich das einsetzen kann. Dann kann man sie einfach mal anmailen, anschreiben oder anrufen und sich mit ihr auf einen Kaffee treffen und mal überlegen, was könnte denn was sein. Auch unter diesem Aspekt, wie viel Zeit bringe ich denn eigentlich mit, will ich das ewig machen oder will ich einfach nur mal schnuppern? Also da wird sich was finden.

Oliver Springer: Ja, also da ist sozusagen Zeit für eine Einzelberatung?

Juliane Kaelberlah: Ja.

Oliver Springer: Okay.

Juliane Kaelberlah: Ja.

Oliver Springer: Okay, das wusste das wirklich noch nicht.

Juliane Kaelberlah: Das bieten wir an. Das bieten wir an, und das ist eben auch das, was ich vorhin meinte: Wir können uns nicht ausruhen und sagen, die Leute kommen schon, die wollen hier was machen, und die sind ja so gut, die möchten ehrenamtlich arbeiten, sondern müssen auch sagen: D as bieten wir euch, hier begleiten wir euch. Professionalisierung heißt auch, dass wir uns auch kritisch selber auf die Finger gucken.

Und wir haben seit November 2022 ein Schutzkonzept zur Prävention gegen sexualisierte Gewalt. Und zur Professionalisierung gehört auch, dass alle beruflich Mitarbeitenden, aber auch die Ehrenamtlichen bei uns zum Beispiel eine Schulung machen müssen, wo es darum geht: Was ist sexualisierte Gewalt, was ist Prävention? Wenn ich mit Menschen arbeite, das tut man in der Kirche, wie erkenne ich Grenzen, welche Grenzen muss man auch wahren?

Also diese ganzen Dinge, die zur Prävention auch wichtig sind, das müssen alle durchlaufen. Damit stellen wir auch einen gewissen Standard sicher, wenn wir Leute, die ehrenamtlich arbeiten, mit anderen Leuten auch in unseren Räumen lassen. Das ist kein Verdacht oder irgend sowas, sondern wir wollen einfach einen gewissen Standard haben und ganz transparent auch sagen: Wenn man hier arbeitet, dann hält man sich an gewisse Regeln.

Oliver Springer: Und noch viel mehr über das, worüber wir geredet haben, steht natürlich im Internet.

Juliane Kaelberlah: Genau, auf unserer Website www.cw-evangelisch.de/ehrenamt kann man mal reinstöbern, wie viele Möglichkeiten es gibt.

Da kriegt man einen guten Überblick über die Vielfalt. Aber es ist natürlich nur ein kleiner Abriss und deswegen gerne nachfragen oder Ulrike Reuter kontaktieren. Wir freuen uns!

Oliver Springer: Dann: Danke fürs Mitmachen.

Juliane Kaelberlah: Vielen Dank dir.

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