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Tom Teichmann – sieht sich beruflich zwischen Fotograf und Künstler

Foto zur Verfügung gestellt von Tom Teichmann

In dieser Ausgabe unseres Podcasts “Charlottenburg in Bewegung” spricht Oliver Springer mit Tom Teichmann über Themen aus den Bereichen Grafikdesign, Kunst und Stadtteilwandel, speziell in Charlottenburg.

Tom Teichmann, der sich beruflich zwischen Grafiker und Künstler sieht, äußert sich zu den Herausforderungen des Grafikdesigns, der Balance zwischen Dienstleistung für den Kunden und Selbstverwirklichung.

Foto zur Verfügung gestellt von Tom Teichmann

In der Diskussion gibt Tom Teichmann auch persönliche Einblicke in seine Ausbildung zum Grafikdesigner und seine Arbeit in einem Fotofachgeschäft. Er betont die Bedeutung kultureller und sozialer Aspekte für Nachbarschaften und erwähnt sein Fotoprojekt in der Suarezstraße über die ansässigen Händler.

Die beiden sprechen auch über die Veränderungen in Charlottenburg, insbesondere in den Randlagen, und zum Beispiel über den Einfluss von Google Street View auf Toms Arbeit. Er gibt Einblicke in seine künstlerischen und beruflichen Ziele, darunter die Ausweitung seiner lokalen Präsenz als Grafikdesigner in Charlottenburg.

Foto zur Verfügung gestellt von Tom Teichmann

Er erklärt außerdem seine künstlerische Inspiration und seine Absicht, mit seinen Fotografien von Orten wie Brachflächen Nostalgie zu wecken und die Menschen zu motivieren, die Schönheit und Einzigartigkeit ihrer Umgebung zu schätzen. Die Episode endet mit einem Blick auf Toms Zukunftspläne, darunter die Fortführung seiner künstlerischen Arbeit und die verstärkte Zusammenarbeit mit lokalen Händlern.

Tom Teichmann ist Grafiker und Künstler | Foto zur Verfügung gestellt von Tom Teichmann

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Transkript zur Episode

Oliver Springer: Charlottenburg in Bewegung. Ich bin Oliver Springer, zu Gast ist heute Tom Teichmann. Hallo.

Tom Teichmann: Hallo, hallo.

Oliver Springer: Wenn ich mir das aus unserem Vorgespräch richtig gemerkt habe, dann siehst du dich beruflich zwischen Grafiker und Künstler.

Tom Teichmann: Auf jeden Fall. Ich glaube, im Bereich Grafikdesign besteht auf jeden Fall die Komponente Dienstleistung, die auch besonders relevant ist und dass man dort auch eben für Kunden arbeitet und visuelle Ansätze für jemanden anfertigt.

Und ich glaube, viele junge Menschen, also auch, ich bin 25 Jahre alt, und auch viele Menschen, mit denen ich auch meine Ausbildung zusammen gemacht habe, die stehen hinsichtlich Grafikdesign auch ein wenig zwischen dem Konflikt, etwas für jemand anderen anzufertigen und auch letztendlich etwas für einen selber anzufertigen, sozusagen. Dann fällt es aus dem Bereich Dienstleistungen komplett raus und man möchte eben genau das visualisieren, was man auch für sich selber vorstellt.

Beruflich, glaube ich, macht es am meisten Sinn, wenn es im Bereich Kunst ausfällt, da dort kein konkreter Kunde ist, sondern eben einer selbst und man seine eigenen Wahrnehmungen, seine Gefühle, seine eigenen Ansätze und “Visual Key Points” sozusagen in etwas visualisieren will. Dementsprechend gibt es da einfach, macht es da Sinn, viele Schienen zu fahren, dass man einerseits natürlich bezüglich des Berufsbildes für Leute sozusagen vorhanden ist und dass man sagt: “Hey, ich kann natürlich auch was für dich machen.

Aber dass man auch für die eigene Selbstverwirklichung sozusagen und für die Verwirklichung der eigenen Gedanken und Ideen trotzdem natürlich für einen selber auch visuell da ist. Ich habe beispielsweise, ich glaube, vor ein paar Jahren war das schon, ein Praktikum gemacht in der “GEDOK Berlin”, das ist sozusagen ein Verein für Künstler*innen gewesen, und dort habe ich auf jeden Fall auch schnell realisiert, dass die Kunst natürlich sehr toll ist und dass man auch sehr, sehr viel Spaß dran haben kann, aber letztendlich es sehr, sehr, sehr schwierig ist, sich dort zu behaupten, da es sehr viele Menschen gibt, die Künstler werden wollen.

Und da macht es auf jeden Fall Sinn, weit in mehrere Schienen zu fahren und einerseits natürlich als Künstler tätig zu sein, aber auch eben eventuell aus schon wirtschaftlichem Interesse auch andere sozusagen Ebenen betritt, was jetzt die allgemeine visuelle Kommunikation anbelangt.

Oliver Springer: Und deine Ausbildung zum Grafikdesigner hast du dieses Jahr abgeschlossen und vor etwas längerer Zeit aber schon in einem Fotoladen gearbeitet.

Tom Teichmann: Genau. Also, ich habe dieses Jahr richtig am Lette Verein meinen Abschluss als Grafikdesigner gemacht. Und vom September 2018 bis August 2019 habe ich im alten Fotofachhandel Foto Hess arbeiten dürfen … ähm … Habe ich dort gearbeitet. Ist natürlich sehr schade, dass dieser Laden Anfang dieses Jahres den Betrieb aufgegeben hat, aber dort habe ich vor längerer Zeit auf jeden Fall die Fotografie aus, sage ich mal, einer sehr puren Perspektive kennenlernen dürfen, zumal ich gar keine Ahnung von Fotografie hatte. Natürlich habe ich hier und da auf Hobbybasis Fotos mal geschossen, aber ich hatte natürlich was Blende, Brennweite, Belichtungszeit, Blitz, etc., überhaupt gar keine Ahnung.

Dort ins kalte Wasser geworfen zu werden und auf die Schnelle lernen zu müssen, wie das alles funktioniert – und wenn man auch letztendlich einem Kunden gegenüber sich richtig präsentieren kann und Sachen verkaufen kann, hat auf jeden Fall sehr schnell dafür gesorgt, dass ich die Fotografie beherrschen konnte. Dass ich sozusagen die Fotografie bei Foto Hess sozusagen gedeckt habe und das dort gelernt habe, war sozusagen der nächste Schritt Layout, Vektorgrafiken, 3D, Kollagen etc. Und da war eben der Lette Verein definitiv das nächste Ziel, dass man eben dort drauf aufbauen kann und noch weitere Sachen dazu lernen kann.

Oliver Springer: Du hast mir gesagt, dass du damals schon so gemerkt hast, dass die kulturellen und sozialen Aspekte auch für ein Wohnviertel wichtig sind.

Tom Teichmann: Auf jeden Fall. Also, ich glaube, dass jedes Kiez hat seine Institution. Charlottenburg hat verschiedene Kieze, und dort gibt es immer, wenn man auch nur sich mit den Leuten unterhält, diesen speziellen Ankerpunkt. Zum wenn ich jetzt über das Gierke-Kiez spreche, gibt es eben Rogacki, es gibt Karstadt in der Wilmersdorfer Straße, auch wenn das jetzt Ende des Jahres schließen muss, es gibt halt für jeden einzelnen Aspekt der Stadt, also auch insbesondere Charlottenburg natürlich, sehr spezifische Institutionen.

Und ich glaube, das hat auch dafür gesorgt, warum ich überhaupt bei Foto Hess arbeiten wollte, weil in diesen Kiez, also Kaiser-Friedrich-Straße, Gierkezeile, auch das Gierke-Kiez, war Foto Hess auf jeden Fall ein sehr bekannter Name und dort auf jeden Fall diesen Alltag vom Fachhandel mitzubekommen und auch sozusagen diese traditionellen Werte eines Kiezes zu erleben, war auf jeden Fall sehr, sehr beleuchtend und besonders für mich.

Oliver Springer: Der Grund, warum wir beide überhaupt ins Gespräch gekommen sind, ist ja ein Fotoprojekt. Du hast Läden in der Suarezstraße fotografiert.

Tom Teichmann: Richtig, das war im Sommer 2020, kurz vor der Ausbildung im Lette Verein. Meine Mutter ist 2009 in die Suarezstraße gezogen. Dort gibt es ja jährlich immer die Antik-Meile, die stattfindet, wo eben die Antik-Kenner der Straße sich präsentieren und Sachen verkaufen, und es ist allgemein ein sehr schönes, anerkanntes Straßenfest.

Dadurch, dass ich sozusagen diese Kenntnisse in Sachen Fotografie mitnehmen durfte, dachte ich: Warum nicht zunutze machen, also warum nicht so eine besondere, auch kulturelle Institution, wie es wieder ist die Antik-Meile nicht fotografisch beleuchten? Und letztendlich war das so, dass ich die Händler abgebildet habe: einmal Porträt, einmal vor dem Laden und einmal in Akt, während sie was verkaufen oder was erklären, und das wurde dann auf verschiedenen Staffeleien vor der Schneiderei Feuerstein sozusagen aufgestellt, und dann konnten die Leute sich das ebenso anschauen.

Oliver Springer: Du bist in Charlottenburg aufgewachsen und das hat dich auch geprägt.

Tom Teichmann: Auf jeden Fall. Also, dabei ist anzumerken: eben die Randgegenden des Bezirkes. Also, meine Mutter und mein Vater haben sich relativ früh getrennt, mein Vater ist dann an die Otto-Suhr-Allee gezogen, zwischen Richard-Wagner-Platz und Ernst-Reuter-Platz, und meine Mutter ist … Damals haben wir auf jeden Fall an der Messe gewohnt, Messe Nord/ICC, direkt über der Autobahn am Spiegelweg, ist danach an die Suarezstraße gezogen, aber auf jeden Fall war die Messe auch ein sehr prägender Ort für mich. Mein Vater, wie ich ja meinte, zwischen Richard-Wagner-Platz und Ernst-Reuter-Platz, was im Grunde auch eine komplette Brache war, ebenso wie es die Messe auch sehr lange war und teilweise auch immer noch ist.

Und diese beiden Orte haben mich auf jeden Fall sehr geprägt, da ich nicht, sage ich mal, dieses altypische Charlottenburg kennengelernt habe, jetzt Kantstraße oder der Kurfürstendamm, sondern eben sehr spezifische Aspekte, die sich doch eher an dem Rand des Bezirkes lokalisieren.

Oliver Springer: Die Gegend, in der du aufgewachsen bist, beziehungsweise die Teile von Charlottenburg, in denen du viel Zeit verbracht hast, wir haben es ja schon so ein bisschen gestreift, die sehen inzwischen anders aus als früher. Es hat sich wirklich viel geändert.

Tom Teichmann: Auf jeden Fall. Insbesondere ein sehr gutes Beispiel, ist eben genau dort, wo mein Vater gewohnt hat. Das war an der Otto-Suhr-Allee, wo damals auch die Tribüne war, zwischen der Deutschen Bank und der Scientology-Kirche, als wir dort 2005 eingezogen sind, war das wirklich eine, also eine komplette Brache.

Es war sehr grün, und es war im Grunde ein Niemandsland. Als, ich glaube 2013 oder -12, die CG-Gruppe das Gelände eben aufgekauft hat, wurde alles abgerissen, mehr oder weniger, oder erneuert und es wurden Wohnungen gebaut, und das, was da mal war es überhaupt nicht mehr dort zu erkennen.

Also es wurde jetzt bezüglich der, sage ich mal, allgemeinen Lage des Immobilienmarktes sehr stark verändert. Das ist eben sehr weit entfernt von dem, was ich früher kannte. Und da ist auf jeden Fall anmerken, dass ich sozusagen nur diese Aspekte der Stadt als Kind mitbekommen habe und mit denen aufgewachsen bin und eben nicht, sag ich mal, dieses sehr typische Beispiel-Berlin, wenn man jetzt an Kreuzberg oder Mitte denkt, dieses sehr künstlerische, wilde, sag ich mal, leicht chaotische Bild der Stadt, dieses Bilderbuch-Beispiel der Stadt, was gerne in den Medien präsentiert wird, was auch total fair ist. Das habe ich eben nicht so kennengelernt, sondern eben eher halt eine Stadt, die im Grunde sehr normal war, die sehr grün war, die voller Brachen war, die sehr alltäglich war.

Diese sehr spezifische Identität der Stadt, so peu à peu, komplett wegradiert wird, finde ich persönlich natürlich total schade, weil ich das so kannte. Das ist ja allgemein ein Trend, der sich nicht nur in Charlottenburg so weiterbewegt, sondern allgemein in der Stadt, dass Brachen also, wie ich meinte, peu à peu verschwinden.

Oliver Springer: Der Druck ist einfach groß, die Flächen zu nutzen, es wird viel Fläche gebraucht, aber das Herz schmerzt.

Tom Teichmann: Das Herz schmerzt! Und auch, es ist schade zu wissen, dass diese Identität nie konkret beleuchtet wurde, nie zelebriert wurde für das, was es war, weil auch, sage ich mal, diese sehr – jetzt in Anführungsstrichen – “langweilige Seite der Stadt”, zumal ich sie sehr schön fand, hatte auch eine Daseinsberechtigung, wie auch viele andere Teile der Stadt. Und dass das eben verschwindet, wegfällt und zugunsten der Entwicklung der Stadt in Vergessenheit gerät, ohne dass mal jemand das beleuchtet hat, finde ich sehr schade.

Es fühlt sich fast so an, als ob es da nie dagewesen wäre, sondern eben schon wieder für die allgemeine Entwicklung der Stadt, das verändert wurde für etwas sehr anderes, was eben aber eigentlich nur nie dort war.

Oliver Springer: Ja, nicht nur in Charlottenburg, hast du gesagt, gab es schon viele Orte früher, wo man den Eindruck haben konnte, dass die irgendwie, also ich nenne es mal, vergessen wurden, das wird immer weniger. Gibt’s auch positive Beispiele für Veränderungen?

Tom Teichmann: Auf jeden Fall und ich stehe auch nicht gegen Veränderungen, ich finde, Veränderung ist immer was Gutes. Ich bin nur überzeugt davon, wenn die Veränderung mit der Vergangenheit eventuell interagiert und sozusagen Hand in Hand für die Zukunft sorgt. Es ist eine Veränderung, die sich längerfristig in meinen Augen auf jeden Fall lohnt. Also ich arbeite in einem Atelierhaus, das ist der Künstlerhof Alt-Lietzow, der befindet sich hinter dem Rathaus Charlottenburg. Neben diesem Atelierhaus war sehr lange eine Anlage, die von einem Zaun sozusagen umringt wurde, wo wirklich nichts war, also überhaupt gar nichts, nicht mal Natur, überhaupt gar nichts.

Und meine Chefin, Brigitte Arndt, nachdem sie das Atelierhaus übernommen hat, kam eben auf die Idee, dass man das überhaupt nicht mehr abreißt, sondern letztendlich vielleicht einen Garten draus macht, dass es ein Garten ist, der nur Pflanzen besitzt, die essbar sind, also Kräuter, Gemüse, Obst etc. Und dass die Bewohner des Kiezes die Samen dieser Pflanzen in den Briefkasten spenden können.

Das heißt, im Grunde wird die eigentliche Architektur und das, was mal dort war, nicht sonderlich stark verändert, jedoch verändert es sich sehr stark und sorgt auch noch dazu, dass ein Kiez, was vielleicht nicht so sonderlich belebt war, dass dort mehr Interaktion stattfindet und das dort sozusagen ein neues Leben beginnt in dem Kiez. Und das ist eine Veränderung, die ich auf jeden Fall begrüße und das ist, wenn Veränderung generell diesen Zug annimmt und allgemeine Veränderungen bezüglich Immobilien der Stadt diesen Zug annimmt, bin ich auf jeden Fall gar kein Feind davon, wenn eben sehr viele Gegenden, die, also zum Beispiel meine Kindheitsgegenden, sich so stark verändern, wenn sie eben mit der Vergangenheit in irgendeiner Form interagieren würden.

Oliver Springer: Und für den nostalgischen Blick auf Brachflächen da fährst du dann inzwischen in die Randbezirke von Berlin, weil es da auch noch ein bisschen mehr von gibt?

Tom Teichmann: Auf jeden Fall. Ich glaube, die Randbezirke sind immobilientechnisch noch nicht so stark beleuchtet worden, von eben den Großen, sage ich mal, Immobilienhaien. Wenn ich mal mit Freunden dort unterwegs war, waren wir oft sehr – schon fast geschockt davon, dass wir in diesen Bezirken etwas gesehen haben, was wir früher in der Stadt auch näher erkennen konnten.

Also, zumal Grünflächen sehr stark sich selbst überlassen wurden und sehr unbewuchert und spröde am Wachsen waren. Zwischen zwei Straßen ist immer sozusagen ein Gehweg in der Mitte oder kein Gehweg, sondern ein Übergang, wo auch, sage ich mal, Ampel etc., sozusagen lokalisiert ist. Und dort gibt es immer diese, sage ich mal, diese Rasenfläche und vor allem in den Randbezirken merkt man, dass diese Rasenfläche wirklich überhaupt kaum kontrolliert wird oder nicht beschnitten wird oder sonst was, sondern wirklich sich sich selbst überlassen wurde.

Und das ist wirklich ein, sage ich mal, ein Prinzip, das ich auch als Kind in den, sage ich mal, zentralen Gebieten der Stadt wiedererkenne. Also daran kann ich mich konkret erinnern, dass es auch in Charlottenburg, in Mitte etc. auch vorhanden war. Und das ist im Grunde, sagt es ja nur aus, dass allgemein früher, sag ich mal, die Stadt für sich selbst gesorgt hat und dass wenig, also natürlich nicht wenig, aber dass weniger überblick über die Stadt vorhanden war oder auch nötig war, es war sozusagen eine sehr lässige Atmosphäre und viele grüne Flächen, viele Brachflächen wurden eben sich selbst überlassen. Das sieht man an den Randbezirken teilweise noch, weil diese noch nicht so intensiv entdeckt wurden von Immobilienfirmen etc., wie ich meinte: Dort erkennt sich eben etwas wieder, was auf jeden Fall in den tieferen, also den mitteren Bezirken der Stadt, auf jeden Fall früher auch dort war.

Man denkt eben an alte Kioskläden, man denkt an oder auch konkrete Häuser, Bürohäuser, die komplett verlassen sind, wo also gefühlt Efeu rauswächst, man denkt dann auch, wie ich schon meinte, Grünflächen, die komplett spröde und unbewuchert wachsen. Das gibt es teilweise gar nicht mehr in den in Bezirken Charlottenburg oder Mitte oder auch Kreuzberg. Das kann man werten, wie man will. Für mich persönlich, da ich eben das kenne als Kind, finde ich das schade, dass es das kaum mehr gibt, diese sehr spezifische Identität.

Oliver Springer: Wenn du Fotos machst, dann in der Richtung: Ist die Intention, eher zu dokumentieren oder auch Menschen zu aktivieren, vielleicht sich noch für was einzusetzen, das zu schützen?

Tom Teichmann: Ähm, ich würde sagen: beides, zumal die Dokumentation auch Nostalgie wecken soll, sage ich mal, dieses Wecken der Nostalgie, eventuell auch Leute dazu motiviert, das wertzuschätzen, was die Stadt zu bieten hat, und nicht eventuell mit einem Auge ranzugehen, was sich eben nur um dem Coolen in Berlin sorgt, sozusagen.

Ich glaube, dadurch, dass es sehr konkrete Aufnahmen sind von sehr konkreten Orten ist es ja rein faktisch eine Dokumentation dieses Ortes. Aber dadurch, dass dieser Ort ebenso eine Fremdheit ist für das Bild der Stadt, was heutzutage aktiv ist, weckt das eben sozusagen Nostalgie, und das sorgt eben vielleicht für eine, nicht nur, nicht eine Neugierde, sondern auch vielleicht einfach nur eine Wertschätzung.

Es gibt eben noch viele dieser Orte, und die haben eine Daseinsberechtigung, genauso wie sie sind. Es macht auch Sinn, sie zu wertschätzen, so wie sie sind, und sie müssen sich nicht andern Bezirken oder einer Identität, die sich nur aufgesetzt hat, anpassen, sondern sie sind completely fine genauso, wie sie sind. Das würde ich auf jeden Fall gerne wecken. Also, das ist so ein bisschen das Ziel.

Oliver Springer: Inspiration für Kunst oder unsere Arbeit, die können wir ja an den unterschiedlichsten Orten finden. Du hast mir im Vorgespräch erzählt, dass Google Street View dich inspiriert hat, das musst du erklären.

Tom Teichmann: Ja, also da gibt es zwei Komponenten. Einmal ist es wieder, was ich am Anfang angesprochen habe, eben Lässigkeit, schon fast ein Mangel an Überblick. Die Street-View-Aufnahmen von Google Maps waren sehr, sehr lange Zeit bis Juni 2022 von 2009, da hat sich lange Zeit niemand drum gekümmert, sprich, die Aufnahmen sind eben sozusagen von meiner Kindheit. Als ich das ebenso mitbekommen habe und das so gesehen habe, fand ich eben total interessant, was es eben früher gab, und das hat das Ganze so ein bisschen in Bewegung gesetzt.

Zeitgleich auch die Panorama-Aufnahme, die eben Google Street View ausmacht und dieser Panoramablick wirkt schon fast alltäglich. Jetzt nicht unbedingt super konkret, da es eben Kameras auf ein Auto von ganz weit umgesetzt wurden. Und das ist kein Blick, der kein Mensch hat, sondern eben ein bisschen erhöht.

Aber nichtsdestotrotz ist das Grundprinzip dieses alltäglichen Blickes sehr spannend für mich, und dass man diese Optik, der Panorama eben versucht weiterzuführen und auch diese Street View-Optik versucht weiterzuführen, finde ich wahnsinnig interessant. Zumal auch: Es gibt wahnsinnig viele Fotografen und es gibt wahnsinnig viele Künstler und es gibt wahnsinnig viele Grafikdesigner. Der Markt ist wirklich wahnsinnig übersättigt an Menschen, die es wirklich, die wirklich was werden wollen, was ich auch voll verstehen kann; ich bin einer von diesen Menschen.

Es macht auf jeden Fall dort Sinn, eine Perspektive einzunehmen oder auch einen Stil zu führen, der, der nicht gängig ist, sondern eher sehr differenziert und sehr spezifisch ist, wobei viele Menschen mit Panoramaaufnahmen natürlich arbeiten, aber eben das zu kombinieren mit Charlottenburg und mit Brachflächen, das sorgt vielleicht für eine Stimmung, die vielleicht sich von einer sehr normalen Aufnahme mit einem 50-Millimeter- Objektiv abtrennen könnte, weil ich das auch früher versucht habe und ich auf jeden Fall auch viele Aufnahmen mit einem ganz normalen Standardobjektiv gemacht habe und schnell gemerkt habe, dass das, was ich damit übermitteln will, nicht so viel Sinn ergibt mit dieser, sozusagen Brennweite, sondern da auf jeden Fall etwas anderes zugange sein muss, damit genau dieses alltägliche Gefühl richtig visualisiert wird.

Oliver Springer: Zurück noch mal in die Suarezstraße und Umgebung zu deinen Fotoprojekten. Das hat dir Türen geöffnet.

Tom Teichmann: Richtig. Es gibt eine Hand voll Händler, die aufmerksam geworden sind auf mich, wofür ich sehr dankbar bin, insbesondere Katharina Göres von Spitze, mit der ich jetzt schon mehrere Jahre zusammenarbeite. Das hat auf jeden Fall dafür gesorgt, dass unabhängig von der Kunst, die ich gern anfertigen will, auch eventuell als lokaler Grafikdesigner für alteingesessene Händler zur Verfügung stehen will. Das ist eine sehr spezifische Gruppe von Menschen, die auf jeden Fall dadurch, dass sie im Fachhandel tätig sind, also, wo man nicht unbedingt in den Laden einfach reingehen könnte und sagen könnte: Ich bin Grafiker, sondern ich möchte gern mit dir arbeiten, sondern da muss schon eine gewisse Überzeugung da sein. Die Leute müssen schon sehen: Diese Person meint es eventuell ernst und diese Person will das wirklich.

Und es war gar nicht mal meine Intention, dass ich konkret mit denen dann als Grafikdesigner arbeiten wollte, aber das hat sich dann einfach daraus entwickelt, weil die Intention, sozusagen mit den Händlern zu arbeiten, schon vorhanden war, und hat, sich dann so ein bisschen in die Wege geleitet für mich.

Oliver Springer: Was macht die Arbeit mit solchen kleinen Läden für dich so interessant?

Tom Teichmann: Man kann für den Erhalt sorgen, also man kann für den Erhalt der – oder auf jeden Fall dazu beitragen, dafür sorgen kann ich natürlich nicht, aber dazu beitragen, dass Menschen eben durch neue Grafikprodukte oder auch Grafikprodukte, die diesen Händler spezifisch ausmacht, dass sie eben auf diesen Laden aufmerksam werden und diesen dann unterstützen.

Man sagt immer, es ist gang und gäbe jetzt dieses Statement: Support your local … your local dealers! Und es ist auch auf jeden Fall nachvollziehbar, aber man muss die Leute auch in einer Form dazu motivieren, außerhalb des, sage ich mal, der Unterstützung, weil es das Richtige ist und wenn man es machen sollte, sondern vielleicht auch eher, weil sie eben dahin wollen, weil sie es schön finden, weil sie es spannend finden, weil sie das ansprechend finden. Und …

Oliver Springer: Das dürfte die beste Basis sein.

Tom Teichmann: Das dürfte die beste Basis sein. Ja, ich habe das Gefühl, es ist auf jeden Fall richtig, dass man, dass man den Lokalhandel unterstützt und dass man dieses Statement auch so sehr verbreitet, aber es fühlt sich schon fast ein wenig an wie auf Mitleidsbasis, weil eben man weiß, der Fachhandel, der leidet.

Aber auf dieser Basis Leute, also Kunden zu akquirieren, ist relativ schwierig, weil das hält nicht wirklich an. Hat man jedoch Produkte oder auch ein Erscheinungsbild, was sehr ansprechend ist, dann geht es natürlich in eine ganz andere Richtung und dann hat man auch Kunden und Kundinnen, die wirklich bleiben wollen und das unterstützten, weil sie es eben schön finden und dort kaufen wollen.

Oliver Springer: Und dann gibt’s auch andere andere Kundengruppen, die man damit erreicht. Also die Leute, die jetzt so als Charity-Aktion, sage ich jetzt mal, das machen. Das ist halt keine so große Gruppe und, ja, die anderen gibt es halt auch noch….

Tom Teichmann: Richtig.

Oliver Springer: … ist dann nachhaltiger.

Tom Teichmann: Ist nachhaltiger und es hält auch einfach besser an. Also, wenn ein starkes Erscheinungsbild, also das ist natürlich die Intention, dass es starkes Erscheinungsbild wird, funktioniert einfach immer und ich meine, nicht umsonst gibt es ja, ich meine, die Berufsgruppe Grafikdesign, die ebenso breit gefächert ist, und so viele Berufstätige hat, weil eben man weiß, dass Marketing und Marketing vor allem auf visueller Basis alles ist, und sich neue Firmen, jedoch auch eben Start-ups etc., dadurch extrem behaupten können, aber eben umgekehrt genauso Firmen und Händler, die auch schon lange dort waren und eventuell auch weiterhin tätig sein wollen.

Oliver Springer: Was hast DU in Zukunft sonst noch so vor?

Tom Teichmann: Also, der Weg ist schon mal sehr gut, auf dem ich bin, also darüber bin ich auch sehr glücklich und sehr dankbar, auf jeden Fall. Ich würde auf jeden Fall sehr gerne mich in dem Bezirk noch tiefer verzweigen, außerhalb der Suarezstraße, außerhalb des Gierke-Kiezes oder auch den Brachen, sozusagen von Charlottenburg, sondern auch wirklich, vielleicht als Name und auch lokaler Grafdesigner für viele Charlottenburger Händler zur Verfügung stehen und dadurch mir noch einen stärkeren Namen machen.

Also, das finde ich auf jeden Fall sehr, auch ein sehr schönes Gefühl, sozusagen auf dem, was man sehr mag und auch sehr liebt, sich darauf etwas zu machen und auch einen Namen sich draus zu machen, das ist auf jeden Fall das Ziel. Das ist die Schiene A.

Schiene B ist nach wie vor auf jeden Fall, sich auch als Künstler behaupten, als Designer behaupten, sozusagen für mich selber Wege zu finden, wie man eben sozusagen diese künstlerischen Ideen auch in etwas fokussieren könnte, was man eventuell verkaufen könnte, etc., weil nach wie vor Kunst ist sehr schwierig, und sich als Künstler allein zu behaupten ist wahnsinnig schwierig. Das jedoch versuchen, auf einer coporate Art und Weise umzusetzen und in etwas zu fokussieren, was man nach wie vor verkaufen kann, wäre vielleicht auch sinnvoll. Ich habe noch gar keine Ahnung, welche Form das annimmt. Ich glaube, das entsteht einfach nur im Machen, aber das ist die Schiene B.

Und diese beiden Sachen würde ich sehr gerne in dem nächsten Jahr erreichen. Also jetzt, wo ich den Abschluss gemacht habe, dieses Jahr, und auch meine Erfahrung, die ich mich gesammelt habe, mit vielen Händlern und auch mit meinen eigenen Ideen viel Erfahrung sammeln konnte. Es ist jetzt auf jeden Fall an der Zeit, dass man das, dass man die Geschwindigkeit erhöht.

Oliver Springer: Der Satz passt so oft.

Tom Teichmann: Ja, das stimmt, das ist immer sehr gut, weil es ist, letztendlich ist es immer das eigene Tempo, man muss einfach, man muss immer Gas geben.

Oliver Springer: So fühlt es sich an, aber gut, das wäre ein Thema, da könnte man noch eine eigene Folge oder eine ganze Reihe drüber machen, glaube ich. Wo kann man sich angucken, was du so bisher gemacht hast, von deiner Arbeit was?

Tom Teichmann: Also, ich habe einen Künstler-Alias. Ich glaube, das haben mittlerweile viele Menschen, zumal auch viele Leute, wenn sie ein Label gründen, das nicht unter ihrem eigenen Namen gründen, sondern eben einen spezifischen Namen dafür haben, und das verfolge ich auch sehr gerne.

Ich habe früher, das hat sich irgendwie so entwickelt, sehr spezifischen Nickname bekommen: “Chris Vineyard”. Und ich fand das als Namen sehr ansprechend, einfach generell, dass man auch versuchen kann, die Kunst und sozusagen diese visuellen Ideen, die sich vor allem sozusagen vorwiegend um mich betreffen, in etwas fokussieren könnte, was außerhalb dem Namen Tom Teichmann weiterlebt, sozusagen, dass man sozusagen diese beiden Schienen trennen kann.

Und dort gibt es auch konkrete Website-Domain chrisvineyard.com, ebenso wie in Instagram “@chrisvineyardd”, mit zwei D, ein D das gibt es leider, ist leider schon vergeben, habe ich schon relativ früh versucht zu bekommen, aber anscheinend ist es doch nicht so ein unbekannter Name. Dort kann man sich auf jeden Fall, sozusagen mit diesen ganzen visuellen Ideen beschäftigen.

Oliver Springer: Werden wir verlinken auf unserer Website. Ja, dann würde ich sagen: Danke fürs Mitmachen.

Tom Teichmann: Vielen Dank für das Gespräch, das war sehr bereichernd.

Oliver Springer: Okay, das lass ich so stehen.

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