In dieser Ausgabe von “Charlottenburg in Bewegung” ist Oliver Springer im Gemeinwohl-Bioladen Lylla in der Seelingstraße 18 und spricht mit Grit Hallal. Dieser “Mitmach-Bioladen” im Klausenerplatz-Kiez ist eine Foodcoop, in der sich Menschen in Selbstverwaltung engagieren, um Einkaufsvorteile zu teilen.
Grit Hallal skizziert die Geschichte des Ladens, der seit über 35 Jahren besteht und gewissermaßen aus der Hausbesetzerbewegung hervorgegangen ist.
Sie beschreibt das umfangreiche Sortiment des Bioladens, das fast ein Vollsortiment an veganen und vegetarischen Produkten umfasst. Fleisch und Fisch werden nicht angeboten, das Sortiment besteht größtenteils aus regionalen und saisonalen Produkten.
Die Herausforderungen und Grenzen der regionalen Beschaffung werden thematisiert, wenn es um Produktgruppen wie z. B. Bananen, Kaffee und Kakao geht. Grit Hallal betont das Ziel, die Lebensmittelversorgung transparenter und nachhaltiger zu gestalten. Der Laden bezieht auch Produkte wie Obst aus dem eigenen Garten.
Großer Wert wird darauf gelegt, die Produkte unverpackt anzubieten, soweit dies aus hygienischen und handhabungstechnischen Gründen möglich ist. Dies hat nicht nur die Vermeidung von Abfall zum Ziel, sondern auch die Schaffung eines Bewusstseins für nachhaltigen Konsum.
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Seelingstr. 18
14059 Berlin
E-Mail: webmaster@gemeinwohl-bioladen.de
Website Gemeinwohl-Bioladen Lylla
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Öffnungszeiten:
Dienstag – Freitag: 14:00 bis 19:00 Uhr
Samstag: 11:00 bis 17:00 Uhr
Transkript zur Episode
Oliver Springer: Charlottenburg in Bewegung, ich bin Oliver Springer. Zu Gast ist Grit Hallal vom Gemeinwohl-Bioladen Lylla in der Seelingstraße. Hallo!
Grit Hallal: Hallo, ich grüße Sie!
Oliver Springer: Gemeinwohl-Mitmach-Bioladen, steht auf eurer Website. Bevor wir da tiefer ins Thema einsteigen, gib uns mal ’ne kompakte Beschreibung, was wir uns darunter vorstellen können.
Grit Hallal: Ja, es gibt halt Bioläden, die wir alle kennen, wo man reingeht und von einer Verkäuferin bedient wird, und es gehört auch dort jemandem dieser Laden, und es werden Umsätze erzielt. Und ein Mitmach-Laden, sagt ja der Name schon, da engagieren sich Menschen nicht ehrenamtlich, sondern in der Selbstverwaltung. Also, der amerikanische oder der englische Begriff ist “Foodcoop”. “Food” wie Essen und “Cooperation” gemeinsam tun – kooperieren. Der Laden ist eine Foodcoop, sprich eine Selbstverwaltung, um sich zusammenzutun und Einkaufsvorteile zu kompensieren.
Oliver Springer: Der Name “Lylla” stammt noch aus der Zeit mit etwas anderem Konzept. Den Laden gibt es ja auch schon ziemlich lange.
Grit Hallal: Oh ja, ich glaube mittlerweile über 35 Jahre. Der “Lylla dankbar” ist aus der Gründungszeit oder aus der Kiez-Geschichte, aus dem Besetzerkiez hervorgegangen. Verena Hanke, die Vorbesitzerin, war die erste Gründerin oder ist aus dieser Bewegung mit hervorgegangen und hat eben über 30 Jahre diesen Laden geführt. So, dann müssten wir, glaube ich, jetzt in diesem Jahr am 37. Jahr sein. Und war in verschiedenen Stationen. Auf einer Tagung war sie unsere Caterin und hat uns angesprochen.
Und ja, der “LernSINN erlebBAR” macht berufliche Orientierung und Tests und Trainingscenter, war schon immer ein Traum, und so sind wir zu einem Bioladen gekommen. Es ist hier tatsächlich auch eine zertifizierte Übungsfima, AZAV-zertifizierte Übungsfirma.
Oliver Springer: Was für Produkte gibt’s bei euch zu kaufen? Wie sieht denn das Sortiment so aus?
Grit Hallal: Also wir haben tatsächlich ein Vollsortiment oder fast Vollsortiment, Klopapier ist gerade nicht da. Aber ansonsten haben wir tatsächlich – ist des deutschen liebstes Kind – haben wir tatsächlich ein Vollsortiment. Also, was du auch hier nicht bekommst, brauchst du nicht für eine gesunde Ernährung. Es gibt hier vegane und vegetarische Lebensmittel, also Fleisch wird man hier, und Fisch, vergeblich suchen.
Ansonsten ist vom Ei bis zur Zwiebel sozusagen oder vom Apfel bis zur Zwiebel alles da. Wir legen großen Wert darauf, dass die Ware – sofern es aus hygienischen Gründen oder aus dem Handling heraus [möglich ist], dass die Ware unverpackt ist, um Müll zu sparen und auch aufmerksam zu machen, dass man Müll vermeiden kann.
Oliver Springer: In herkömmlichen Geschäften werden ja vor allem Markenprodukte großer Hersteller angeboten. Wie ist das bei euch, woher kommen die Waren?
Grit Hallal: Wir haben uns dem verschrieben: einerseits Gemeinwohl, ne, Gemeinwohl Bioladen Lylla, wir sind ein Mitgliedsunternehmen der Gemeinwohlökonomie im Gründungsverein in Wien. Die Ware kommt regional, saisonal.
Also, es gibt schon Kunden, die so im November oder Dezember nach Erdbeeren fragen und dann gibt’s eine Frage zurück, das heißt: Welcher Monat ist jetzt? Ähh, wie? Na ja, Erdbeeren beginnen im so 8./9. Juni rum und vorher gibt es bei uns auch keine Erdbeeren. Also wir geben uns große Mühe, man vermisst bei uns Äpfel aus Übersee, aus Argentinien, Chile und sonst woher. Das ist ein regionales Obst und Gemüse und wenn die Erntezeit vorbei ist oder der Lagerapfel dann auch nicht mehr da ist, dann gibt’s eben mal einen Monat keine Äpfel.
Oliver Springer: Ist für die meisten ja auch nicht das ganz große Unglück, wenn man sich so ein bisschen drauf einstellt.
Grit Hallal: Das auch und wir haben uns eben auch auf, wir sind hier ein Bildungsverein, auf die Fahnen geschrieben, die Menschen wieder an das Natürliche heranzuführen und zu sagen: Denk doch mal darüber nach, also was kostet dein Konsum? Eben auch für alle anderen, auch für die Natur. Was kostet’s für die Bauern?
Oliver Springer: Ich mein, Lebkuchen gibt’s ja auch nur das halbe Jahr über.
Grit Hallal: Die gibt’s tatsächlich auch nur vor Weihnachten. Wir beginnen tatsächlich auch erst mit Weihnachtsartikeln, außer dieses Jahr, da hatten wir noch Glühwein vom letzten Jahr, nach Totensonntag.
Oliver Springer: Ja.
Grit Hallal: Vorher gibt es bei uns keine Weihnachtsartikel zu kaufen. Bin ja schon Lebensälter, da begann die Weihnachtszeit nach dem Totensonntag und dann wird Weihnachtszeug ausgepackt und ich glaube, das ist auch das, was viele vermissen, dass es dann gibt, wenn die Zeit dafür ist.
Oliver Springer: Jedenfalls ist das Angebot manchmal in den Supermärkten im Sommer schon ziemlich groß.
Grit Hallal: Und das nervt die meisten Kunden.
Oliver Springer: Die stehen dann auch im Weg.
Grit Hallal: Ja.
Oliver Springer: Kommt dann halt dazu. Also, die Versorgung mit Waren aus der Region ist in vielen Fällen gut möglich, klar. Bei manchen Produktgruppen stößt es natürlich an Grenzen. Mir fällt dazu Zitat ein, dass dem Schriftsteller Kurt Tucholsky zugeschrieben wird, was er so gar nicht formuliert hat, aber in dem Fall aber irgendwie noch besser passt, nämlich: “Deutsche – kauft deutsche Bananen!”.
Grit Hallal: Ja, also Bananen sind des Deutschen liebstes Kind, neben Kaffee, Olivenöl – geht gerade in den Preisen hoch, wollen wir nicht Datteln, Feigen wollen wir nicht, dass sie unbedingt in Deutschland … aus Klima- und allen anderen nachvollziehbaren Gründen wachsen, die beziehen wir natürlich nach Möglichkeit aus europäischen Kontexten.
Bei Bananen geht es nicht, also es gibt kein Angebot an Bio-Bananen. Es gibt durchaus Bananen im europäischen oder Mittelmeerraum, ist aber nicht in Bioqualität verfügbar und Dominikanische Republik bleibt übrig. Daher kommen unsere Bananen. Und was kommt noch von Übersee? Also, Kakao, Kaffee gibt es meines Erachtens keine europäische Produktion.
Oliver Springer: Jedenfalls Arabica nicht. Robusta-Bohnen könnte man schon anpflanzen …
Grit Hallal: Ingwer zum Beispiel gibt es durchaus regional und wird von den Kunden, wir haben es letztes Jahr nicht genommen, dieses Jahr war es der Renner, regionaler Ingwer. Ist entsprechend, in dem entsprechenden Preis auch im Angebot, ist aber echt lecker, also …
Oliver Springer: Ist der anders?
Grit Hallal: Qualitativ besser ja, ist frischer,
Oliver Springer: Ahhh, ja.
Grit Hallal: Er ist richtig frisch, während der normale Ingwer ja so ein bisschen außen doch schon verholzt ist, genau.
Oliver Springer: Das echte Zitat, das habe ich aber auch erst bei der Vorbereitung auf unser Gespräch herausgefunden, lautet dann: “Deutsche, kauft deutsche Zitronen!”.
Und das ist ja nicht wirklich unmöglich, aber im großen Stil dann eben auch nicht so sinnvoll. Also, ich hab mal so ein bisschen geguckt, Zitronenbaum auf dem Balkon anpflanzen, findet man dann gleich Anleitungen … Und im Winter kommt er in die gute Stube. Ja klar, kann man privat natürlich machen.
Grit Hallal: Braucht man einen großen Balkon oder wenig Zitrone.
Oliver Springer: Ja, aber warum ich das erzähle ist: Du hast mir im Vorgespräch gesagt, ihr kauft halt auch Obst ein. Also an, was man mitbringen kann, also könnte man dann auch von seinem Zitronenbaum was mitbringen?
Grit Hallal: Ja, ja! Also gerade auch, ich wohne hier in der WG jetzt im Kiez, meine Vermieterin hat -gesagt: Ey, Grit, ich habe alte DDR-Äpfelbäume, ich kann die Äpfel wirklich mitbringen …? Haben wir gesagt: Ja, die kannst du mitbringen, sofern sie nachweislich, also nicht gedüngt oder sonst wie sind, dann tauschen wir die gegen Ware. Das hat eben auch etwas mit Ernährungssouveränität zu tun.
Wir sprechen darüber, dass überall Müll, also auch Lebensmittel in den Müll geworfen werden . Wir wollen darauf aufmerksam machen: Hey Leute, lasst doch das Obst nicht an den Bäumen vergammeln, erntet es, ihr könnt es zu uns bringen.
Das spielt auch mit dem anderen Aspekt zusammen, denn der Bioladen möchte nicht nur, dass wir eine Wirtschaft haben, die dem Menschen dient, sondern eben: Wir haben Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes, wurde in den letzten drei Jahren sehr oft zitiert, und dazu gehört Potenzialentfaltung.
Unser Körper reagiert auf alles, was nicht natürlich ist, mit Angriff, Flucht oder Starre. Also, es ist ein Grundrecht des Menschen, dass er sich mit gesunden Lebensmitteln, unabhängig von seinem Geldbeutel, ernähren kann. Und dazu gehört dann eben auch wieder, Lebensmittel tauschen. Also dass sie sagen: Okay, wir bringen dir was, du kannst dann eben das, was du brauchst, auch wieder mitnehmen.
Oliver Springer: Du hast gerade gesagt: nachweislich nicht gedüngt oder so ist. Für den eigenen …
Grit Hallal: Es geht ja nicht ins Labor.
Oliver Springer: Ja, aber für den eigenen Balkon wird man ja keine Zertifizierung kriegen oder für seinen Kleingarten, wie, wie weiß man …?
Grit Hallal: Das deklarieren wir denn auch entsprechend.
Oliver Springer: Wie kann ich das nachweisen?
Grit Hallal: Also, wir vertrauen dort auf diejenigen, die uns das bringen, und wir deklarieren es auch nach draußen, dass das aus einem Gatower oder Brandenburger Garten stammt, und dass es nicht Bio-zertifiziert ist.
Oliver Springer: Also, keine Balkonbegehung in der Nachbarschaft. Was aber witzig wäre!
Grit Hallal: Nein, wir begehen nicht wirklich und Vertrauen drauf. Wir haben das mit Quitten schon gehabt, wir haben das mit Weintrauben schon gehabt, und dann deklarieren wir das auch dementsprechend.
Oliver Springer: Auf eurer Website steht: Wir sind preiswerter als die Großen! Wie ist das möglich und wie viel lässt sich da sparen?
Grit Hallal: Ich habe ja eingangs gesagt, wir sind eine Selbstverwaltung. Natürlich kann ich mich bei REWE oder ALDI vor die Tür setzen oder kleben und protestieren, aber das Beste ist immer noch, wir machen es selbst. Nach sieben Jahren, oder fast sieben Jahren Bioladen weiß ich, dass dieser Job tatsächlich: erstens soziale Arbeit ist, unterbezahlt ist und tatsächlich ein Knochenjob ist.
Also, ich würde das niemandem mehr wünschen. Ich bin Personalerin und sage mir: Dieser Job kann weg! Also, wir können eigentlich mal über andere Verteilungsprozesse nachdenken: Also, wie gelangen Lebensmittel zu den Menschen? Und dazu ist das ja tatsächlich ein Pilot. Das heißt, wenn wir in der Selbstverwaltung sind, in der Selbstversorgung sind, kann ich natürlich auch die Lohnkosten sparen.
Ja, da stehen wir zu, wir sparen aber nicht das, was der Mainstream macht: an den Produzenten. Wir diktieren nicht die Preise, wir versuchen auch direkt zu beziehen, wir kaufen bei einem Pionier der Gemeinwohlökonomie, bei [?] ein. Oder Direktbezug, aber die Funktion des Großhandels ist nun mal, die Schnittstelle zwischen Verbraucher und Einzelhandel herzustellen. In Sortimentsgröße und auch in Sortiments- … Also, in der Kommission, in der Lagerhaltung, das ist die Funktion des Großhandels. Der hat heute ab und zu eine andere Funktion, nämlich auch die der Preisgestaltung. Aber das steht ihm eigentlich nicht zu.
Oliver Springer: Okay, das geht sehr ins Detail. Vor Beginn der Corona-Pandemie, da gab es ja so einen zarten Trend weg vom Preis, so als entscheidendes Kaufkriterium. Hieß es dann: Gute Lebensmittel, die sollen nicht immer so billig sein!, die dürfen auch was kosten. Die Zeiten sind vorbei, oder?
Grit Hallal: Ähm, ja, also ich glaube, und das erleben wir gerade, wir sind mit einer Inflation …
Oliver Springer: Nicht gesegnet …
Grit Hallal: … nicht gesegnet, nee! Mir fällt das Wort nicht ein, wie ich es nennen sollte.
Oliver Springer: Gegeißelt?
Grit Hallal: Ja, . Wahre Preise heißt ja nicht, dass ich die Biopreise unbedingt senken muss, sondern uns das auch bewusst werden darf, dass Preise aufgrund von Verlagerungen von Folgekosten, wie zum Beispiel im Landbau, also wenn ich die Böden überdünge, wenn ich den Boden verdichte, das bezahlen wir und nicht derjenige, der es tut.
Also nicht die Agrarkonzerne, sondern das bezahlt im Endeffekt der Steuerzahler, indem er dann Renaturierungsprämien oder ähnliches ausgeschüttet werden durch die Regierung, ne. Wir sagen eben: Wahre Preise, bitte! Und so, dass der Verbraucher und dann zum Beispiel andere Arten der Verteilung, so dass der Preis durchaus konkurrenzfähig ist, wenn man in der Selbstversorgung mit ist. Also, wenn man eben mitverwaltet, dann kaufe ich schon in der Größenordnung wie ein Discounter ein. Und dann konkurrieren wir oder sind wir wettbewerbsfähig, mit ALDI oder mit LIDL und dann beginnt die Sache Spaß zu machen.
Oliver Springer: Was kann ich mir unter dem “Zeit-Café Lylla” vorstellen?
Grit Hallal: Ja, das ist mit Corona-Zeiten leider so ein bisschen eingeschlafen, aber da sprechen Sie etwas an, was auf unsere “Zeitbank” zur Verfügung geht. Alle Menschen auf der gesamten Welt haben eine Stunde 60 Minuten. Die ist gleich wert, sollte sie jedenfalls sein, wenn man so ein bisschen mehr Textilien hinschaut oder eben auch bei landwirtschaftlicher Produktion, dann scheint eine Lebensstunde eines Menschen in Südostasien oder in Italien anders bemessen zu werden als – in Geld, ne. Also da …
Oliver Springer: Da sind die kosten ja auch anders.
Grit Hallal: Ja, könnte man meinen, aber die Kosten bezahlen wir ja wieder hinten rum über Klimaschutzprojekte oder ähnliches oder Migration.
Oliver Springer: Ja gut, das ist noch ein anderes Thema.
Grit Hallal: Also, wir dürfen, glaube [ich], uns auf den Berg stellen und von oben gucken und fragen: Was machen wir und was tun wir und warum ist das so? Und warum muss ein Mensch in Südostasien unter solchen Lebensbedingungen leben? Also, vielleicht hat er ja auch einen Anspruch auf unseren Lebensstandard. Und das sind prinzipielle Fragen, die wir stellen und auch beantworten wollen, auch gemeinschaftlich beantworten wollen und …
Oliver Springer: Zeit-Café Lylla …
Grit Hallal: Ahhh, das Zeit-Café ist mir gerade abhandengekommen.
Oliver Springer: Das war eigentlich die Frage.
Grit Hallal: Genau! “Zeitbank”, das heißt, du hast eine Stunde, wir haben eine Stunde. Und es gab ein Experiment, und das gab es auch eine ganze Zeit vor Corona. Mit Corona wurde ja verboten, Dinge anzubieten. Also Gaststätten waren verboten, haben wir uns vorhin mit gerade unterhalten, man konnte, also die Gaststätte war nicht verboten, aber … Und man durfte auch nichts mehr ausschenken oder verköstigen in den Läden, und wir haben dann auch aus Umsatzgründen es nicht mehr geschafft.
Man konnte sich bis 2019 da draußen hinsetzen und für eine Stunde zum Beispiel, die man anbietet, sich dort bedienen. Mit Wasser und Kaffee, den wir hingestellt haben, und Tee.
Oliver Springer: Und was hat man dann selbst gemacht als Gegenleistung?
Grit Hallal: Zeit geschenkt, Zeit. Wir sind ja gerade in der Weihnachtszeit, zum Beispiel in einem anderen Verein sich zu unterstützen, zum Beispiel, also wirklich auch zum Belohnen. Viele arbeiten ehrenamtlich, die haben nicht mal irgendjemand … David Brecht oder unser Arzt, der Fernseharzt, hat das gesagt … Wir können, ja, schon wieder ein neuer Aspekt eigentlich. Wir versauen unsere Umwelt hauptberuflich und versuchen es ehrenamtlich wieder auszubaden mit ehrenamtlicher Arbeit im Umweltschutz und Ehrenamt. Auch mit sozialer Arbeit im Ehrenamt, Tafel & Co., die Ungleichheiten in unserer Gesellschaft auszuschieben.
Und wir wollten und wollen auch immer noch, da können Sie mich später noch mal erinnern, gesellschaftliche Arbeit, die Menschen leisten, egal ob bei der Freiwilligen Feuerwehr oder an der Tafel ausgleichen und sagen: Hier, du kannst mit einer Zeit tauschen, das machen wir zum Beispiel in 1 Stunde sind 10 €, “WIR GEMEINSAM”-Tauschnetzwerk. Und wenn du eine Stunde irgendwo ehrenamtlich arbeitest, dann kannst du bei uns auch zum Einkaufspreis einkaufen.
Oliver Springer: Das heißt aber, die Einrichtung, wo sich jemand engagiert, muss mitmachen in dem Netzwerk?
Grit Hallal: Ja.
Oliver Springer: Okay, das ist so eine kleine Hürde, glaube ich.
Grit Hallal: Die Hürde ist nicht bei der NGO oder so. Die Hürde ist, dass wir zu wenig sind, es klarzumachen, also es bedeutet Zeit, ne.
Oliver Springer: Das auch noch, ja …
Grit Hallal: Dass die Leute es verstehen und sagen: Ach so, wir müssen da einfach nur Mitglied werden? … bei “WIR GEMEINSAM”-Nachbarschaft Berlin-Brandenburg und dann können unsere Mitglieder über ihre ehrenamtliche Arbeit, die sie bei uns leisten, bei uns zum Einkaufspreis einkaufen.
Und dann können diejenigen, die eben heute keine finanzielle Ausstattung haben, um zum Beispiel ’ne Ehrenamtspauschale zu leisten, doch Wertschätzung geben. Und dafür sorgen, dass ihre Ehrenamtler, ja, genau, aber wir sind alle halt auch in der Selbstverwaltung, wir gehen ja auch alle nebenbei arbeiten.
Oliver Springer: Was sind denn die wesentlichen Änderungen, die ihr damals seit der Übernahme oder bei der Übernahme vorgenommen habt?
Grit Hallal: Als erstes haben wir den Laden umgeräumt. Der sieht, ich da gabs mal innen drinnen zwei große Theken. Wir haben die Prozesse, die Räume, das Laufen anders aufgeführt, wir haben das Sortiment verändert und die Preisgestaltung .Und PET-Flaschen aus dem Bioladen verbannt. Das war unser erste Amtshandlung, und den Sonntag geschlossen und haben gesagt: Nein, Sonntag haben wir nicht geöffnet. Sontag gehört den Menschen und nicht dem Verkauf.
Oliver Springer: Wo genau befindet sich der Laden und wie kommt man hin und wann habt ihr geöffnet?
Grit Hallal: Der Laden befindet sich in der Seelingstraße 18, im Klausenerplatz-Kiez, mitten in Charlottenburg. Wie kommt man hin? Am besten zu Fuß. Dann macht man durch dieses Viertel auch einen schönen Spaziergang, weil es ist wirklich sehr ruhig und angenehm, hier auch zu wohnen und sich das anzuschauen. Ansonsten mit der U-Bahn bis Sophie-Charlotte-Platz, mit der S-Bahn bis Westend, und dann nimmt man zehn Minuten Fußweg.
Oliver Springer: Den Sonntag, den habt ihr geschlossen.
Grit Hallal: Den Sonntag haben wir geschlossen, ganz einfach, weil es auch mit unseren Ressourcen anders zugehen sollte und weil wir meinen, der Sonntag gehört der Familie und den Freunden und nicht dem Shoppen. Wir haben geöffnet von Dienstag bis Freitag, jeweils von 14 bis 19 Uhr, weil wir alle auch unserem Hauptjob nachgehen, und samstags von 11 bis 17 Uhr.
Oliver Springer: Der Laden hat einen Onlineshop, aber ihr liefert hauptsächlich nur hier in der Umgebung?
Grit Hallal: Genau! Im Klausenerplatz-Kiez. Wir träumen davon, andere Verteilungsstrategien aufzubauen. Da würden, wenn es danach geht, Kiez-ARGE, kommen wir bestimmt auch später zu, dann würden wir die Verteilung an Unternehmen richten, nämlich dort an die Arbeitnehmer. Und dann nehmen die das von zu Hause, also von Arbeit aus den Einkauf gleich mit nach Hause. Das spart dann richtig Wege, Zeit, Ressourcen, Stress. Im Moment liefern wir halt nur im Klauenplatz-Kiez.
Oliver Springer: Wie weit reicht das?
Grit Hallal: Das ist dieser Klausener … Da gibt’s eine Eingrenzung.
Oliver Springer: Steht irgendwo?
Grit Hallal: Ja.
Oliver Springer: Gut. Ist ja manchmal so: Welche Straße gehört noch dazu?
Grit Hallal: Ja, ja.
Oliver Springer: Ist dann zu sehen, gut! Diese Mitgliedschaft in der Foodcoop, was hat es damit auf sich? Ganz kurz.
Grit Hallal: Na ja, man sollte sich committen, also wir sind dann mit der “Zeitbank” auch mit drin. Wir haben ja auch Angebote, also manchmal kommen die Mitglieder, oder die werdenden Mitglieder auch zu uns und fragen: Was haben wir davon? Einerseits eine Versicherung, Berufsgenossenschaft, die sind hier halt auch als Mitglieder versichert.
Aber auch: Wir finanzieren ja zum Beispiel, anders als die Großen, Menschen, die einen Berlinpass haben oder im Bürgergeld-Bezug sind, in der Ausbildung oder im Studium sind, die kaufen bei uns auch zum Soli-Preis ein. Das macht keiner der Großen, könnten sie aber, und das finanzieren wir damit quer.
Oliver Springer: Und dann hast du mir noch was von der Kiez-ARGE erzählt.
Grit Hallal: Ja, Kiez-ARGE, das ist der nächste Stepp. Kiez-ARGE heißt Arbeitsgemeinschaft, kommt aus dem Bauhauptgewerbe, wo sich Unternehmen zusammenschließen für ein Gewerk oder eine befristete oder unbefristetes Projekt, ein neues Unternehmen gründen, das ist die ARGE. Und wir wollen das jetzt in die Versorgung setzen, hatten wir auch schon.
Corona, jeder erinnert sich noch an diese Schlangen vor den Läden. Ich bin mal einmal ausgepfiffen worden bei dm, wo ich so rein wollte, und ob die Schlange nicht gesehen … .
Oliver Springer: Traumatsche Erlebnisse …
Grit Hallal: Okay, ich stell mich nicht an, ich stelle mich im eigenen Bioland nicht an. Das kostet Lebenszeit, ne, also viele Menschen verbringen mehrere Stunden damit, Lebensmittel oder überhaupt die Versorgung zu organisieren.
Wir haben festgestellt, gerade auch während Corona, Shoppen ist doch nicht das liebste Kind des Deutschen. Es gibt Dinge, die besser sind, nicht die Banane, auch nicht das Shoppen. Daher wär es gut, andere Versorgungswege zu organisieren, als der klassische Einzelhandel, den wir kennen.
Unternehmen, gerade kleine und mittlere Unternehmen, die sind ja auch unsere Produzenten. Du hast vorhin gefragt, von wem kaufen wir? Vorzugsweise von kleinen und mittleren Unternehmen oder solidarischen Unternehmen. Die wollen wir unterstützen, zum Beispiel, indem … Werksverkauf kennt jeder. Aber wenn ich dann hingehe und sage: Warum habt ihr keinen Mitarbeiter-Foodcoop? Haste Teambuilding, die Mitarbeiter können zum Einkaufspreis einkaufen. Und wenn der Arbeitgeber richtig cool drauf ist, gewährt er den Sachbezug. Und man spart, gerade bei diesen Kostendruck, bis zu 1.200 € pro Monat, pro Nase.
Also ne, du hast eingangs vor mir gesagt: Ja, Grit wir haben ’ne Inflation, aber wir sind damit gegeißelt. Die Energiepreise gehen hoch, die Transportkosten gehen hoch, die Lebensmittelpreise gehen hoch, das Olivenöl ist grad richtig teuer geworden. Wie kann ich das auffangen? Natürlich müssen wir dann mit Löhnen hochdrücken oder wir nehmen die Inflationsspirale raus und sagen: Wir setzen Versorgung ins Unternehmen, Unternehmen übernehmen unternehmerische und soziale Verantwortung, versorgen ihre Mitarbeitenden.
Wir hatten es grad, gesunde Ernährung, ist der Mensch gesund, freut sich das sich das Unternehmen, nicht die Katze. Und dann …
Oliver Springer: Die auch!
Grit Hallal: Die auch, vielleicht. Genau, muss sie nicht so viel schnurren. Und ähm ja, dann kann ein Unternehmen, und gerade kleine und mittlere Unternehmen, attraktiv sein, gegenüber den Konzernen, aber vor allen Dingen dafür sorgen, dass ihre Mitarbeiter gesund sind und zeitgleich regionale Wirtschaft stärken.
Oliver Springer: Ich sehe schon, das ist ein Thema, da müssen wir …
Grit Hallal: Machen wir nochmal ein Podcast zu …
Oliver Springer: … irgendwann noch mal was extra machen … Ja, dann für heute: Danke fürs Mitmachen.
Grit Hallal: Ich dank dir auch.