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Peggy Lukac Design in der Steifensandstraße

Peggy Lukac Design in der Steifensandstraße | Foto: Redaktion

In dieser Folge von “Charlottenburg in Bewegung” spricht Oliver Springer mit der bekannten Schauspielerin und Regisseurin Peggy Lukac, die in der Charlottenburger Steifensandstraße 9 (ganz in der Nähe der Berliner Antikmeile in der Suarezstraße) ein ungewöhnliches Geschäft betreibt.

Schauspielerin, Regisseurin & Modedesignerin Peggy Lukac | Foto: Janine Guldener

Bei “Peggy Lukac Design” stehen Recycling und Upcycling im Mittelpunkt: Hochwertige Stoffe wie Kimonos, Brokate und Saris werden zu neuen Kleidungsstücken verarbeitet. So entstehen Unikate, die anderswo ein Vielfaches kosten würden.

Peggy Lukac Design in der Steifensandstraße | Foto: Redaktion

Teilweise werden die Stücke sogar individuell für Kunden angefertigt. Meistens aber wird ein Kleidungsstück erst angefertigt und dann angepasst – schließlich gibt es die Unikate nicht in allen Größen, sondern naturgemäß nur in einer.

Die Inhaberin erzählt vom immensen Ressourcenbedarf der Modeindustrie und weist auf die Verschwendung von Ressourcen durch nicht oder kaum getragene Kleidung hin. Bei der Masse an produzierter Kleidung ist auch die Umweltbelastung entsprechend hoch.

Peggy Lukac Design | Foto: Janine Guldener

Mit dem Angebot in ihrem Laden in Charlottenburg zeigt Peggy Lukac, wie hochwertige Mode aus Stoffen hergestellt werden kann, die andernorts übrig bleiben und in vielen Fällen sonst weggeworfen würden, darunter auch Reste von international bekannten Designern. Peggy Lukac beschreibt anschaulich, wie sie aktiv nach Stoffquellen sucht, unter anderem durch Kontakte zu Händlern und den Aufkauf von Resten von Designern oder insolventen Unternehmen.

Peggy Lukac Design | Foto: Janine Guldener

In dieser Episode erzählt die in New York geborene Peggy Lukac, wie ihre Leidenschaft für Stoffe bereits in ihrer Kindheit in Wien begann und welchen großen Einfluss ihre Großmutter dabei hatte.

 

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Kontakt

Steifensandstraße 9
14057 Berlin
Telefon: 030 89 40 23 84
Mail: p.lukac@gmx.de

Website
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Öffnungszeiten:

Mittwoch bis Freitag: 12:00 – 19:00 Uhr

Samstag: 12:00 – 16:00 Uhr

Transkript zur Episode

Oliver Springer: Charlottenburg in Bewegung, ich bin Oliver Springer, zu Gast ist heute Peggy Lukac. Sie ist Schauspielerin, Regisseurin und betreibt einen wirklich ungewöhnlichen Laden in der Steifensandstraße, hallo.

Peggy Lukac: Hallo.

Oliver Springer: Beschreib am besten selbst, so in wenigen Worten, was gibt es bei Peggy Lukac Design?

Peggy Lukac: Na ja, wir recyceln, wir upcyceln, wir sind so ein bisschen die Müllabfuhr, die alles aufklaubt und daraus wieder neue Dinge macht. Das klingt ein bisschen trivial, aber das sind dann ganz wertvolle Stoffe wie Kimonos und Brokate und Saris und Kaschmirstoffe. Und wir haben auch unser Publikum ein bisschen aufgefordert, wenn sie Stoffe in den Schränken haben, die sie nicht verarbeiten, die vorbeizubringen. Und das wird dann alles in Kleidungsstücke verarbeitet und gibt da zwei Schneiderinnen, die nähen. Und so entstehen die wildesten Kreationen. Ja, so ist es.

Oliver Springer: Mode und Nachhaltigkeit gehen ja sonst selten Hand in Hand, in deinem Geschäft allerdings schon. Bevor wir da so über die Lösung sprechen, lass uns erst mal das Problem benennen, das ist ja auch gar nicht jedem bewusst..

Peggy Lukac: Na ja, das Problem ist gigantisch und wird vollkommen unterschätzt, weil, ich mein’: Wenn man allein bedenkt, dass 50 Prozent der produzierten Kleidung niemals getragen wird. Also das wird von Konsumenten weggeschmissen, das wird von Produzenten weggeschmissen und das ist ein Ressourcenverbrauch ohne Ende. Also Wasser und, man sagt ja auch, auch Baumwolle ist ganz toll, aber alle diese Gewebe brauchen natürlich viel Ressourcen und Pestizide und Chlor und Bleichmittel. Und dann gibt es ja auch noch das große Problem der ganzen Polyethylene, also der Polyesterstoffe. Die landen auch alle im Meer als Mikroplastik. Also, das sind nicht nur die Plastikflaschen, sondern das, was wir am Leib tragen. Und dann wird das dreimal angezogen und weggeschmissen.

Oliver Springer: Und bei Dir bekommen dann alte Stoffe neues Leben, und das ist auch in der Form nur möglich, weil er nicht nur verkauft, sondern selbst fertigt. Du hast schon gesagt Du hast zwei ….

Peggy Lukac: Ja, genau. Also, ich habe eine wunderbare Schneiderin aus der Ukraine, Tanja, die – also ohne die wär der Laden halb so viel, weil sie mit deiner Akribie und Genauigkeit schneidert. Und ich versuche schon immer auch traditionelle Stoffe mit modernen Stoffen. Wir machen auch im Design so ein Crossover. Es ist nicht Ethno oder es hat schon einen sehr modernen Touch, aber verarbeitet alte Gewebe. Also, wir verarbeiten zum Beispiel nicht – oder sehr selten – alte Kleidung, sondern wir verarbeiten Stoffe, die übrig geblieben sind. Also, Deadstocks sind, zum Beispiel, wenn Designer eine Kollektion geben, dann bleiben fünf Meter übrig oder zehn Meter oder so. Und die haben dann eben eine hohe Qualität, die wir bei unseren Preisen uns normalerweise gar nicht leisten können. Also, so ein Kaschmirstoff kost dann im Einkauf irgendwie 200 Euro der Meter. Aber wir hatten schon von allen möglichen Designern die wunderbarsten Stoffe, sind halt immer so Reste, es gibt halt immer nur ein Stück davon, manchmal zwei, aber so …

Oliver Springer: Und, wie finden die Stoffe dann den Weg zu euch?

Peggy Lukac: Ja, das fragen mich viele. Ich sag immer dann, dass sie wie Bierdeckel sammeln. Wenn man mal anfängt mit Stoffen zu arbeiten, dann, wir haben ja zum Beispiel Tischdecken auch verarbeitet, und da gibt es diese schöne Geschichte, dass eine Frau uns da gestickte Tischdecken gebracht hat. Und eine Mitarbeiterin verdrehte die Augen und sagt: “Was sollen wir denn damit?” Und ich sagte: “Nein, nein, nein, lassen Sie das mal hier, ich weiß auch noch nicht, was wir damit machen”, aber so … Und zwei Wochen später bekomme ich eine Anfrage, ein Biohotel, der Leutascherhof in Tirol, das Personal auszustatten und dann sag ich: “Und das machen wir genau damit.” Und dann haben wir die mit Tischdecken, Bettwäsche, die gesamte Personal ausgestattet. Sieht entzückend aus und entspricht natürlich genau dem Konzept, was der Leutascherhof hat.

Peggy Lukac: Und manchmal kriegen wir Sachen, und ich habe erst mal keine Idee dazu, aber ich denke: “Na, na, na, nicht wegschmeißen, in die Ecke tun”, und dann kommt jemand und sagt: “Ja, da habe ich in der und der Ecke den und den Stoff, und wenn wir den mit dem kombinieren, dann …”. Und so entsteht das.

Oliver Springer: Also einiges wird euch angeboten und ihr sucht aber auch aktiv, wahrscheinlich?

Peggy Lukac: Na ja, ich suche. Also, ich hab so ein paar Händler, weil ich ja, bevor ich überhaupt mit dem Laden angefangen habe, war ich immer sehr stoffaffin, sonst würde das ja überhaupt nicht funktionieren. Und ich weiß natürlich irgendwie Quellen, wo man … ich bin viel gereist in meinem Leben, ich hatte selber viele, ich kenne Leute in Indien, in Sri Lanka, in “Da” und in “Dort”, und dann gucke ich auch nach alten Stoffen und nach übrig gebliebenen Saris. Wir verarbeiten sehr viel Sariseide, Crêpe de Chine, wo kein Mensch uns glaubt, dass es ein Sari ist, weil es moderne Designs hat, also nicht diese Bollywood-Saris. Und so hat man natürlich im Laufe der Zeit überall Quellen. Und dann gibt es nicht nur Leute, die uns [???], die uns sagen: Du, der da und da, der löst gerade einen Laden auf, geh doch da mal hin … Und zum Beispiel habe ich von einigen, traurigerweise, Designerinnen, die aufgeben mussten, die Reste der Stoffe gekauft, also so entsteht das dann.

Oliver Springer: Und mir ist aufgefallen, wie farbenfroh viele von den Stoffen und Dingen auch hier sind.

Peggy Lukac: Ja, also das ist natürlich, wenn die Leute sagen: Wir wollen eine schwarze Hose, sag ich, das kriegen sie in ganz Berlin, nur nicht bei mir. Also, es gibt zwar eine schwarze Hose, weil meine Mitarbeiter mich immer dazu überreden wollen, auch schwarze Sachen zu machen, also: Accessoire ja, aber das kann man ja überall kaufen. Also Schwarz ist ja die Trendfarbe seit 20 Jahren. Und wenn dann jemand reinkommt und sagt: “Ich trage ja nur Schwarz”, sag ich: “Ach so, ja, wie alle anderen. “Wieso, wie alle anderen?”, sag ich: “Na ganz Berlin trägt nur Schwarz”. Aber jeder fühlt sich sehr exquisit, wenn er Schwarz trägt. Also das gibt es bei uns nicht, aber man kann die Sachen sehr gut mit Schwarz kombinieren.

Oliver Springer: Stoffe zu sammeln, hast du schon gesagt, das ist schon länger deine Leidenschaft.

Peggy Lukac: Ja, also ich kann mich erinnern, das ist wirklich in der Kindheit angelegt. Also ich komme ja aus, New York und bin dann mit fünf, fünfeinhalb zu meiner Großmutter gekommen, die ein sehr, sehr vornehmes Hutsalongeschäft vor dem Krieg hatte. Und natürlich, es war alles natürlich weg. Und in dieser Wohnung, riesige Wohnung, waren überall diese Schachteln noch mit Bordüren und Spitzen und Federn, und meine Großmutter konnte aber kein Englisch und ich konnte kein Deutsch. Und zwar haben wir über diese Materialien kommuniziert und die Puppen angezogen. Und ich fand das eine unglaublich faszinierende Welt. Und meine Großmutter war schon Mitte 70, als ich aus Amerika zu ihr gestoßen bin, also für diese Generation damals vergleichsweise alt, sie hat zwei Weltkriege erlebt, also das ist nicht wie heute 70 – ist wie damals 50, also, das kann man jetzt nicht vergleichen.

Peggy Lukac: Aber diese Frau hat sozusagen den Kern in mir geweckt und ich habe später dann als junge Frau auch Kostüme gemacht und bin sogar mal erwähnt worden als beste Kostümbildnerin im “Theater heute” und bla, bla, bla, bla … Aber eigentlich war das immer so ein Nebenaspekt, der auch mal 20 Jahre liegengeblieben ist … und Kinder kriegen, Regie führen, Spielen, Geld verdienen, muss man ja auch alles machen.

Oliver Springer: Es hat sich nebenbei entwickelt, dass du dann aus den Stoffen auch was fertigst …?

Peggy Lukac: Dass sozusagen ein Laden wurde, ist wirklich passiert. Das war nie Absicht, wie du so schön sagst, so nebenbei, “Side Effect” von irgendwas, von Leidenschaft, von wo plötzlich so eine Leidenschaft zum zweiten Beruf wird: Und es hat ganz viel mit meinem eigentlichen Beruf zu tun: Weil, wenn man Regie führt, betrachtet man Figuren und Menschen. Und auch Kostüme sind ja das richtige Kostüm für die Figur, sprich für diesen Menschen, für diese Person zu finden. Und ich guck auf Leute auch anders. Mein Hauptimpetus ist nicht zu verkaufen. Ich sag auch immer: Verkaufen is a Side Effect. Ich guck, ob’s demjenigen steht und was das richtige Kleidungsstück für die Person wäre; da trifft sich das, diese beiden Berufe.

Oliver Springer: Die meiste Kleidung, die wir heute tragen, wird in wirklich großen Stückzahlen hergestellt. Bei Peggy Lukac Design gibt’s Unikate.

Peggy Lukac: Gibt immer nur eins, ja. Es gibt, wenn ein bisschen mehr Stoff ist, auch ein zweites und drittes davon, aber nicht mit derselben Kombination. Wir hatten so einen tollen Lior-Reststoff, und da hatten wir zehn Meter. Und da haben wir Mäntel gemacht und haben die mit Kimonos gefüttert, was besonders aufregend ist; der Kimino innen war immer anders. Oder die Knöpfe, wenn man natürlich mehr Stoffe hat, dann wird man die nicht wegschmeißen, wenn man nur einen Mantel draus macht, aber man macht dann verschiedene, entweder Designs oder das Futter ist anders, und die Knöpfe …

Peggy Lukac: Die Knöpfe sind auch eine Wissenschaft in diesem Laden, weil mir so viele Leute so tolle Knöpfe mitgebracht haben, die wenn ich die verrechnen würde, da kostet jeder Knopf fünf bis zehn Euro. Aber dann gibt es auch natürlich so Verrückte wie mich, die dann ein bisschen älter sind und die 500 Knöpfe zu Hause haben und dann sagen: Willst du die nicht nehmen, nicht? Gerne, ja! Könnte ich gar nicht bezahlen. Also das ist alles sozusagen auch auf dieser Liebhaberei basierend auch von anderen Menschen, dass das in diesem Laden sozusagen ein Ort geworden ist für solche Sachen.

Oliver Springer: Bei Unikaten liegt es auch in der Natur der Sache, dass es die nur in einer Größe gibt. Wie weit könnt ihr Anpassungen bei den Sachen vornehmen, die schon fertig sind?

Peggy Lukac: Also wir passen auch kostenlos an, wenn das geht, also ein bisschen länger ein bisschen kürzer, die Ärmel kürzen … Oder ,wenn es gar nicht geht, wenn jetzt eine 36 kommt und das ist irgendwie ’ne 42, das kann man nicht – verkleinern kann man immer, vergrößern kann man schlecht. Also sagen wir mal, wir haben hier eine 36, und die Dame braucht eine 44, dann schlagen wir vor, dass wir dasselbe Modell machen, aber gemeinsam die Stoffe dafür aussuchen. Das ist dann eigentlich das “Special Service”, wenn man sich auch noch aussuchen darf, welches Futter man hat, welchen Oberstoff man hat, und vor dem Spiegel kann man ja sehen, ob einem das steht oder nicht. Und dann nehmen wir Maß und schneidern das Modell nach.

Peggy Lukac: Wir sind keine Maßschneiderei. Wir vergrößern und verkleinern die Modelle, die wir haben, und da können wir aber auch in jede Größe, bis – also die Leute sagen dann immer … Haben sie auch Größe, was weiß ich, 52, sag ich: Keine Ahnung, welche Größe Sie sind, kommen Sie doch mal und wir nehmen mal das Maßband und gucken, was passt.

Oliver Springer: Also der Standard ist schon, ihr macht das fertig, und dann wird das angepasst …?

Peggy Lukac: Genau, oder man sagt: Hier, das ist ein Modell. Und dann sagt man: Also, den Mantel kann ich jetzt unmöglich in Größe 50, den müssen wir neu nähen, den kann ich nicht verändern von Größe 40, aber ich kann natürlich ein neues Modell nähen lassen. Es sind eigentlich die privilegiertesten Kunden, weil die sich noch die Stoffe aussuchen dürfen.

Oliver Springer: Wenn ich Unikat höre, dann denke ich. Das wird jetzt nicht billig sein.

Peggy Lukac: Das ist der große Irrtum. Also, wir sind natürlich nicht so billig wie H&M, aber wir haben unglaublich viele Kunden, die speziell aus Stuttgart oder Frankfurt oder Hamburg kommen – Schweiz ganz zu schweigen – und die fragen mich dann immer: Wieso ist es so preisgünstig? Preis günstig heißt aber nicht, dass es billig ist.

Peggy Lukac: Die Berliner, die finden immer alles zu teuer, grundsätzlich … Sagt die mir dann: “Das kriege ich ja woanders auch für 19 Euro”. Sag ich dann: “Gehen Sie doch gerne dahin und kaufen das für 19 Euro.” Also das Bewusstsein, wie viel Arbeit kostet, wie viel Mühe in Dingen ist, im Vergleich dafür sind wir extrem billig. Wenn man das auf dem Markt vergleicht, sind wir ungefähr halb so teuer wie alle anderen.

Peggy Lukac: Das kommt unter anderem auch daher, dass ich von dem Laden nicht existieren muss. Das würde sich ganz anders anfühlen, wenn ich das machen müsste, aber A bin ich schon alt und Rentnerin. Zweitens drehe ich noch relativ viel, dann spiele ich Theater, es geht. Also, für das, was wir machen, ist, glaube ich, das Teuerste, was wir jemals gemacht haben, war 600 Euro. Das sind aber schwere Reinseidenstoffe. Also wenn man das jetzt mit anderen Firmen vergleicht, würde das 1.800, 2.000 Euro kosten, zu Recht! Aber da ich ja so ein bisschen ’ne Spielerin bin, denke ich, na ja, also, aber das ist das Teuerste.

Oliver Springer: Wie lässt sich so deine Kundschaft beschreiben? Du hast ja schon gesagt, viele kommen auch von weiter her.

Peggy Lukac: Ja, weil das natürlich ein Laden ist, der sich rumspricht, wie auch viele Kostümbilder, und dass es so was eigentlich nicht gibt, diese Mischung von allem. Also, es ist schon in vielen Teilen ein bildungsbürgerliches Publikum, die auch die Qualität der Stoffe zu schätzen wissen. Also wenn du weißt, was ein Kimono wirklich kostet, früher. Es kostet so viel wie ein Kleinwagen, das ist reine Seide, schwere Seide nur über Quellen, wo Second Hand und über die Angewohnheit oder den Glauben der Japaner, dass man ein gebrauchtes Kleidungsstück nicht tragen kann, weil die Seele des anderen drin ist. Nur das ermöglicht mir über 5.000 Quellen diese Stoffe zu bekommen und sie dann zu verarbeiten, also diese fertigen Kimonos, um sie zu verarbeiten und immer noch relativ günstige Preise zu haben.

Peggy Lukac: Also, meine Kunden wissen das und wenn sie es nicht wissen, dann sind sie neugierig, die Geschichten zu erfahren, denn jedes Kleidungsstück hat eine Geschichte. Ich kann bei jedem Stoff sagen, der kommt daher, der kommt daher, das war die Geschichte, das war die Geschichte. Also das sind so kleine, nicht Märchen, sondern kleine Anekdoten, die jedes Kleidungsstück begleiten.

Peggy Lukac: Es gibt zum Beispiel auch einen Wahnsinnigen, in Wien, also außerhalb von Wien, in Kritzendorf, der Müller. Das ist jemand, der kauft nur Insolvenzen auf, in Massen. Und wenn man da hinkommt, ist es ein bisschen wie so eine riesige Aldi-Halle. Zuerst denkt man: Um Gottes Willen! Wenn man dann da so tiefer in diese völlig unstrukturierte Welt da hineingreift, dann sind die alten Knöpfe da, dann sind die Seidensamte da. Man muss natürlich ein Auge haben, was es ist, denn Insolvenzen ist immer alles. Und des einen Pech ist des anderen Glück. Wenn eine gute Firma pleite geht und ich gerade in Wien bin, dann ist es für mich wie Weihnachten und Ostern gleichzeitig. Also zum Beispiel das letzte Mal hab ich ganz viele Rollen von Krawattenseiden, die man gar nicht mehr kaufen kann, für ein Appel und ein Ei. Und damit haben wir dann Rollstoffe gefüttert mit diesen Krawattenseiden. Also, das sind so ganz spezielle Dinge, da muss man wissen, wo man irgendwie wo gräbt nach den Leftovers.

Oliver Springer: Du hast schon eine Menge von der Welt gesehen, nicht nur durch deine Arbeit als Schauspielerin, sondern angefangen damit halt, dass du in New York geboren, dann in Wien aufgewachsen bist. Wie bist du nach Berlin gekommen? Und noch wichtiger wie hast du dann schließlich Charlottenburg für dich entdeckt?

Peggy Lukac: Also ich hab ja studiert in Wien. Und Wien war zu dem Zeitpunkt, das war so um die 68er, und nach 68er und Wien war dann noch sehr, sehr verschlafen und sehr konventionell und hatte halb so viele Einwohner wie jetzt, und jeder kannte jeden, wenn man in der sogenannten guten Familie war. Also, was wird die denken und mit der war ich in der Schule, also, man konnte sich nicht wirklich oppositionell bewegen, ohne dabei die halbe Wiener Gesellschaft auf dem Buckel zu haben, die dann über meine Mutter kommuniziert wurde. Also, die hat sich nicht an den Demonstrationen gestört, sondern dass die Gräfin so und so dich da [???] gesehen hat. Nun stell dir mal vor und was soll ich sagen? Und sag ich, gar nix nichts sollst du sagen. Also, das ist schwierig, und man muss sich ununterbrochen rechtfertigen, was als junger Mensch ein bisschen schwierig ist, weil ja auch das intellektuelle Niveau immer mit 20 nicht ganz so hoch ist, wie dann vielleicht mit 40.

Oliver Springer: Man glaubt aber das Gegenteil.

Peggy Lukac: Man glaubt mit Sicherheit das Gegenteil. Ich sage immer, ich habe ja selber zwei Söhne, ich sag immer: Also eine gewisse Überheblichkeit und Dummheit ist ein Menschenrecht der Jugend, die dürfen das. Ab einem gewissen Alter dürfen sie das nicht mehr, aber zwischen 18 und sagen wir mal 25 darf oder 26 oder was auch immer, darf man auch ein bisschen … Die wissen ja, wie die Welt geht und zwar mit voller Überzeugung. Ich habe mir das auch eingebildet. Je älter ich werde, desto weniger weiß ich das, aber das ist so, so und das gibt aber auch eine große Dynamik.

Peggy Lukac: Und Berlin war damals das Zentrum der Opposition, und ich fand das alles wahnsinnig aufregend und dachte, ach Gott, und aus dieser erzkonservativen Familie war da auf einmal irgendwie so eine andere Welt. So konservativ waren meine gar nicht. Aber, aber es war natürlich bürgerlicher. Und da bin ich nach Berlin gekommen, und dann bin ich im Grunde genommen bickengeblieben, wie man das so schön sagt.

Peggy Lukac: Dann sind meine Kinder hier geboren, und dann hab ich meinen Mann kennengelernt, dann hatte ich einmal noch ’ne Idee, doch noch nach Wien zurückzugehen. Und mein Mann kommt aber aus Bielefeld, und das ist ein bisschen so, wenn die guten Tag sagen, haben die das Gefühl, sie haben einen Monolog gehalten. Tach auch … So, das wars dann aber auch schon. Habe ich gedacht: Wenn dieser Mensch in diesem Wien … das kann nicht gut gehen. Also, das kann von der Kommunikation … ich komm nach Hause, bin wie der Fisch im Wasser … Und außerdem sind die Wiener sehr arrogant und das sind alles Piefke und die sind eh blöd … Toleranz ist des Wieners Stärke nicht, also hab ich gedacht na, das lasse ich lieber bleiben. Außerdem hat mein großer Sohn gesagt, da kannst du alleine hingehen. Der wohnt jetzt in Wien, so spielt das Leben, der lebt in Wien, aber er wollte natürlich zu dem Zeitpunkt überhaupt nicht weg. Alle Freunde waren hier und so weiter und so fort. Also habe ich das aufgegeben, bin hiergeblieben.

Peggy Lukac: Und Charlottenburg ist mir, wie vieles im Leben, immer so gnadenvoll vor die Füße gefallen. Ich hatte einfach viel Glück, auch. Eine Freundin hatte hier einen Laden, und da ich hatte so “Pop-up-Shop gemacht, habe eigentlich im Tiergarten gelebt, und die sagte: Möchtest du in der Nehringstraße, hat sie gesagt, ob ich nicht mit ihr den Laden machen möchte. Und so hat das angefangen und dann wurde dieser Laden hier frei, und dann habe ich gedacht: Besser kann ich es eigentlich überhaupt nicht treffen.

Peggy Lukac: Und dann habe ich diesen Kiez wirklich so entdeckt, weil es mit dem Lietzensee und gleichzeitig diese Nebenstraße, wie ein Dorf ist. Also man, man kennt sich, die Leute die hier wohnen, die kommen vorbei. Also der Laden ist auch so ein bisschen, da kommt man mal auch ein bisschen tratschen und sagen, was hast denn du Neues und magst ’nen Kaffee ? Also da mischt sich sozusagen die Welt mit meinem Wienertum und New-Yorkertum und what ever … Da bin ich so reingefallen, wo ich dachte: Mein Gott, wie schön ist das denn? War so ein bisschen wie nach Hause kommen. Also, wenn man aus Wien kommt, sollte man nach Charlottenburg gehen.

Oliver Springer: Lassen wir so stehen, lassen wir so stehen. Was Theater angeht, da hast du in Charlottenburg auf allen bekannten Bühnen gestanden schon?

Peggy Lukac: Ja, tatsächlich ja, also irgendwie habe ich hier, ich habe ja zehn Jahre am Schillertheater gespielt. Die Theater, die gibt es jetzt alle nicht mehr, die Freie Volksbühne habe ich gespielt, in der Tribüne habe ich gespielt, am Schillertheater, also, was es hier so gab, ja, so war das ja, ja.

Oliver Springer: Ja für alle, die mal vorbeischauen wollen: Wo findet man den Laden und man habt ihr geöffnet?

Peggy Lukac: Ist die Steifensandstrasse 9. Und weil kein Mensch natürlich weiß, was die Steifensandstrasse ist: Es ist die Verlängerung der Pestalozzistraße zum Lietzensee, es ist dieses ganz kleine Stück, winzig, ist eigentlich wirklich die Verlängerung der Pestalozzistraße, wenn man zum Lietzensee will. Suarezstraße kennen viele, weil da die Antikmeile und sowas stattfindet, also die Steifensandstrasse ist dieses kleine Eck, Steifensandstrasse 9. Und wir haben Montag, Dienstag NICHT geöffnet, weil irgendwann muss ich ja auch ein bisschen, mhhh so. Wir haben Mittwoch, Donnerstag, Freitag von 12 bis 19 Uhr und am Samstag von 12 bis 16 Uhr.

Oliver Springer: Und man kommt hier auch ganz gut hin, wollte ich noch erwähnen, vom Sophie-Charlotte-Platz, 5 Minuten zu Fuß.

Peggy Lukac: Ja, oder von der Kantstraße, wenn man da mit dem Bus fährt oder mit der U-Bahn, man kommt hier wunderbar hin und das ist sogar noch ohne Parkuhren. Das wird sich dann wahrscheinlich auch ändern in den nächsten Jahren, aber momentan kann man hier ganz ohne zu zahlen parken.

Oliver Springer: Und dann schauen wir zum Schluss noch ins Netz, deine Website vom Laden?

Peggy Lukac: www.peggylukacdesign.com oder .com, je nachdem, wo man ist. Und Facebook und Instagram … alles Peggy Lukac Design. Ich habe immer gedacht, man muss es einfach machen. Namen habe ich schon, dann tut man noch die Tätigkeit dahin. Ich habe früher auch, als ich freie Gruppen gegründet habe, habe ich immer Peggy Lukac & Company gemacht, weil ich dachte, den Namen hast du und dann muss man jetzt nicht noch Namen erfinden. Also, Peggy Lukac Design, da kann man alles finden.

Oliver Springer: Und da gibt’s ’n Menge zu sehen schon.

Peggy Lukac: Ja, da gibt es ganz vieles, wenn man zum Beispiel auf Facebook und Instagram geht, dann haben wir ganz viel sozusagen gepostet, da gibt’s wirklich viel. Das ist fast wie ein Katalog, da gibt’s mehr Sachen drin, als ich mich erinnere, wo ich denke: “Ach, das haben wir auch gemacht, das sieht ja richtig gut aus! Ja ja …

Oliver Springer: Ja, dann: Danke für’s Mitmachen!

Peggy Lukac: Ach danke für’s hier sein dürfen!

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