Wie lebt es sich in der Gegend um den Klausenerplatz?

Schloss Charlottenburg (hier gerade mit Weihnachtsmarkt) nahe Klausenerplatz | Foto: Redaktion

In dieser Folge unseres Podcasts “Charlottenburg in Bewegung” spricht Oliver Springer mit Beate Dyballa, die 1985 von Spandau nach Charlottenburg in die Gegend um den Klausenerplatz gezogen ist. Sie schildert ihre ganz persönlichen Erfahrungen und Perspektiven.

Beate beschreibt die Vielfalt der Bewohner und hebt den Zusammenhalt, den Widerstandsgeist und auch das Verständnis für unterschiedliche Lebensweisen als charakteristisch für die Nachbarschaft hervor.

Es wird diskutiert, wie sich das Viertel im Laufe der Jahre verändert hat, insbesondere im Hinblick auf die Bewahrung von Traditionen, den Umgang mit Veränderungen und die Herausforderungen durch den Tourismus.

Beate Dyballa schildert ihre ganz persönlichen Erfahrungen und Perspektiven | Foto: Beate Dyballa

Nach wie vor gibt es im Klausenerplatzkiez viele kleine Läden (mit zum Teil ungewöhnlichen Angeboten). Zu ihren Lieblingsläden gehören der “Brotgarten” und der Gemeinwohl-Bioladen Lylla (ehemals “Lylla dankbar”), erzählt Beate.

Darüber hinaus findet man im Stadtteil ein breites gastronomisches Angebot und nicht bzw. wenig kommerziell orientierte Angebote wie die Schularbeitenhilfe und einen Laden der Stadtmission.

Zum Charme des Klausenerplatz-Kiezes tragen nicht zuletzt die vielen Altbauten aus der Gründerzeit bei. Darüber hinaus gibt es in diesem Teil Charlottenburgs immer noch viele Straßen mit Gas-Straßenbeleuchtung.

Direkt gegenüber dem Klausenerplatz liegt das Schloss Charlottenburg mit seinem Schlosspark. Eine weitere große Grünanlage in der Nähe ist der Lietzenseepark.

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Transkript zur Episode

Oliver Springer: Charlottenburg in Bewegung, ich bin Oliver Springer. Zu Gast ist heute Beate Dyballa. Hallo.

Beate Dyballa: Hi Olli.

Oliver Springer: Du betreibst zwar keinen Laden und sprichst auch nicht für einen Verein oder eine Bürgerinitiative, sondern bist als Bürgerin und Anwohnerin dabei. Der Teil von Charlottenburg, der am Klausenerplatz liegt, der ist schon lange dein Zuhause.

Beate Dyballa: Ja, und zwar mit Absicht.

Oliver Springer: Ja, sag! Warum?

Beate Dyballa: Ich bin dahin gezogen, weil ich einfach das Glück hatte, da eine Wohnung zu bekommen durch Bekannte. Und in der Sekunde, als ich da eingezogen bin, war ich sozusagen verwurzelt, weil der Bezirk so viel bietet und einfach einen ganz bestimmten Charme hat, der sich praktisch einem sofort erschließt. Und wenn man sich damit beschäftigt, dann findet man raus, warum das so ist. Er hat eine ganz lange Tradition.

Oliver Springer: Dann lass uns erst mal sagen, seit wann du dort bist.

Beate Dyballa: Also, ich wohne da seit 1985. Ich habe vorher in Spandau gewohnt, aber das möchte man ja hier nicht diskutieren. Ich bin jetzt Charlottenburger, ich hab’s geschafft.

Oliver Springer: Ja, schon lange. Der Grund, warum hergezogen bist, war, dass du einfach ein gutes Wohnungsangebot hattest …(?)

Beate Dyballa: Ich wollte aus Spandau raus und nach Charlottenburg, weil ich einfach den Kiez schon immer mochte. Da ist das Leben gewesen, wo man abends hingegangen ist: Kinoveranstaltungen, alle Discos. Letztendlich bist du immer Richtung Zoo, Richtung Charlottenburg gefahren oder dann eben irgendwann mal Richtung Kreuzberg 36. Aber das war nie so ganz meine Gegend. Also, in Charlottenburg habe ich mich schon immer sehr wohl gefühlt.

Oliver Springer: Gerade wenn man aus Spandau kommt, ist das andere auch sehr weit.

Beate Dyballa: Ja, deswegen habe ich ja Spandau verlassen. In Spandau gibt es da irgendwie nichts Vergleichbares. Und Charlottenburg dagegen ist die große, weite Welt.

Anders als Neukölln oder Kreuzberg, wo ganz klar da bestimmte Strukturen herrschen, findest du in Charlottenburg und ganz besonders in unserer Gegend einfach eine gute Durchmischung von Leuten, die da schon immer gewohnt haben, die normale Bürgerschaft, die Ausgeflippten, die Hippies, die neuen Pärchen, die Alternativen, die alten Säcke, die sich da nie ändern, weil schon die ganze Familie seit vier bis zwölf Generationen da wohnt. Und alle kommen miteinander aus.

Oliver Springer: Die meisten nennen die Gegend Klausenerplatz-Kiez. Manche sagen auch Danckelmannkiez, und gibt’s, habe ich noch ganz andere Begriffe gehört. Wie sagst du?

Beate Dyballa: Zu Hause, das ist mein Zuhause. Ich kann mich an so Begriffe nicht gewöhnen, weil Klausenerplatz- oder Danckelmannkiez … Ist, ja nur praktisch eine Ecke. Ich sag halt einfach Charlottenburg in der Gegend um das Charlottenburger Schloss. Und dann wissen die Leute meistens Bescheid, weil das Charlottenburger Schloss ist eigentlich ein Punkt, den einfach jeder aus der Stadt kennt. Und ich kann da hinlaufen, sage ich, zwei Minuten vom Charlottenburger Schloss, und zack wissen die Leute, wo ich wohne.

Oliver Springer: Schloßstraßen-Kiez habe ich auch schon gehört.

Beate Dyballa: Das stimmt, aber dann denkst du, das ist die Schloßstraße in Steglitz. Und dann gibt es noch so einen Insider, der hat sich jetzt aber so ein bisschen verschoben, seit es den Zwang zur Hundekottütenbenutzung gibt.

Ich bin mal irgendwo in einem anderen Bezirk gewesen und wir haben über dreckige Straßen gesprochen und dann habe ich gesagt: Ich wohne in der Straße mit der meisten Hundekacke, und da sagte die wie aus der Pistole geschossen: “Du wohnst doch aber nicht etwa in der Nehringstraße?”, und dann hab ich gesagt: “Doch!”

Aber das hat sich geändert, es war wirklich schlimm, weil jeder hatte einen Hund oder zwei, und da musste man auch noch kein Tütchen haben. Man konnte eigentlich nur noch Slalom laufen. Aber jetzt ist es besser, jetzt ist es wunderschön ohne Hundekacke.

Oliver Springer: Eine gewisse Bindung an den Teil der Stadt, in dem man wohnt, den haben die allermeisten Menschen. Was mir aufgefallen ist, wenn ich mit Menschen spreche, die dort halt in der Gegend um den Klausenerplatz leben, dann spreche ich nicht mit Anwohnern, dann spreche ich mit Fans. Bist du auch ein Fan?

Beate Dyballa: Oh ja! Wie gesagt, ich bin da eingezogen, weil ich einfach eine Wohnung in Charlottenburg haben wollte und auch in der Nähe, so ungefähr von der Arbeit. Und ich habe mich da sofort eingelebt. Es ist einfach ein gutes Zuhause.

Da ist sehr viel altes Wohnpotential, also die Häuser sind schön. Sie wurden dann auch sehr sanft saniert, weil die Anwohner sich schon immer auf die Hinterbeine gestellt haben und gesagt haben: Der Kiez muss bleiben, keine Sanierung und Abriss von Häusern. Und das, was wir haben, verteidigen wir, und das macht, glaube ich, auch den Zusammenhalt aus.

Also, es ist tatsächlich noch so eine Nachbarschaft wie im alten Früher, wo man eine Menge von seinen Nachbarn man kannte, auch von einer Ecke. Und dann gehst du mal da hin und ach, du bist hier, irgendwie so. Man kennt sich und man arbeitet zusammen und borgt sich Werkzeuge, und auch die Hausgemeinschaft macht eine Menge aus. Selbst wenn man sich nicht versteht, man hält letztendlich doch zusammen, also wie auf dem Dorf, so ein bisschen.

Und dann gibt es im Dorfidioten, und dann gibt es die Familie, und dann gibt es den Nachbarschaftsnazi, der aber auch mit allen klarkommt, weil man sich ihm doch aushilft. Und er hilft eben auch dem Türken, den er eigentlich sonst nicht leiden könnte beim Radwechsel vom Auto. Und es ist tatsächlich noch so ein bisschen Dorfcharakter mit Anschluss ans Stadtleben.

Oliver Springer: Charlottenburg an sich ist ja schon sehr vielfältig. Die Gegend um den Klausenerplatz, ich bleibe meistens bei dem Begriff, ist ja noch mal für sich besonders vielseitig. Haben wir schon einiges von angesprochen.

Was mir positiv aufgefallen ist, zum einen, da finden sich kleine Läden mit teilweise wirklich sehr speziellen Angeboten wie Baby-Alpaka-Wolle, ja wirklich aus der ersten Schur, zum Beispiel. Zum anderen eine große gastronomische Auswahl und dann sind da auch noch Vereine, Initiativen und überhaupt Angebote dabei, die nicht, jedenfalls so überwiegend kommerziell ausgerichtet sind.

Beate Dyballa: Das sage ich ja: Die Leute haben tatsächlich noch so dieses Bedürfnis, eine Heimat zu haben, da ändert man was, da setzt man auch ein bisschen Arbeitskraft ein. Oder man macht zweimal im Jahr einen gemeinsamen Flohmarkt und räumt die Keller leer oder macht eine gemeinsame Sperrmüllaktion. Man möchte sich den Kiez als Heimat halten und tut dafür auch was.

Und es gibt eben auch immer noch Läden, die praktisch unkommerziell arbeiten. Da gibt es einen Hospizladen, da gibt es dann was von der Stadtmission oder da gibt es dann die Schularbeitshilfe oder da gibt’s, was man sich halt so aussucht. Jeder hat Platz und jeder ist willkommen, wenn er das richtige Herz hat.

Und Leute, die da versucht haben, also in Ende der 80er Jahre, Anfang der 90er Jahre, da großräumig sich einzukaufen und den Kiez, also zu kommerzialisieren, die haben dann auch Gegenwind bekommen. Also wo einzelne Hausbewohner oder Hausgemeinschaften sich einfach mal gegen so einen Laden gewehrt haben, der dann nur noch Sportwetten angeboten hat und was weiß ich für dubiose Sachen. Die kriegen da Gegenwind, genau wie die Leute, die also praktisch jetzt wieder alles per Eigentumswohnung verändern wollen und praktisch das Level heben.

Nein, es sollen auch die alten Omas, die irgendwie eine kleine Rente haben, die sollen da auch wohnen bleiben, weil die einfach wichtig sind für das ganze Kiezleben. Damit die Kinder auch noch mal zu Oma an der Nachbartür klingeln können, irgendwie so, und sich unterhalten. Dass es ein lebendiges Leben ist von allen möglichen Leuten, die bestimmte, sagen wir mal, Charaktere in einem Dorf darstellen.

Oliver Springer: Also gut, über das Dorfleben weiß ich jetzt zwar nicht so viel, aber mir ist halt die Atmosphäre auf den Straßen aufgefallen. Die ist schon irgendwie anders.

Beate Dyballa: Die ist entspannt. Die ist entspannt, obwohl es natürlich auch einzelne Idioten gibt oder Pöbler oder was weiß ich. Es gibt halt nicht mehr so viele Eckkneipen, wie früher.

Aber es ist Leben auf der Straße, und die Leute tun da Bänke raus, auch wenn sie jetzt keinen Laden haben, sondern man versucht dann auch an der Ecke noch Blumen einzupflanzen. Oder da, wo die Bäume stehen, da wird dann noch ein kleines Gärtchen drum gebaut. Also das meine ich mit Dorfleben.

Ich komme ja auch nicht vom Dorf, außer wenn man jetzt Spandau als Dorf bezeichnet, aber es ist halt schon irgendwie so eine gewisse Eigeninitiative und auch der Wille, sich das zu erhalten und dafür was zu tun, um es eben nicht staatlichen oder finanziellen Interessen zu überlassen. In den 80er Jahren wurden da auch einige Häuser instandbesetzt und die sind teilweise heute noch im Besitz von Initiativen.

Zum Beispiel gibt es da den “Brotgarten”, die haben das geschafft, im Laufe der Jahre das Mietshaus dann zu kaufen und wohnen und arbeiten in dem Kiez zu verwirklichen. Und das ist einfach so eine feste Einheit in diesem Kiez. Da trifft man sich, das gibt’s seit 30 Jahren oder länger und der “Brotgarten” ist der “Brotgarten” und das ist wie der Dorfplatz. Und so gibt es auch andere Punkte und andere Geschäfte und so wollen wir das auch haben und so unterstützen wir das. Ich habe einem Laden beim Umzug geholfen, damit der Laden, in dem ich einkaufe, weiterbestehen kann. Und das machen andere Leute auch.

Oliver Springer: Da sind wir gleich schon bei dem Punkt konkrete Beispiele. “Brotgarten” hast du schon genannt.

Beate Dyballa: Genau.

Oliver Springer: Du hast noch andere Lieblingsläden.

Beate Dyballa: Ja, da gibt es also zum Beispiel den “Lylla dankbar”-Laden, die einen ganz besonderes Konzept haben. Vielleicht kannst du dich ja damit auch noch mal beschäftigen?

Oliver Springer: Das kommt in einer anderen Episode, das ist ziemlich komplex.

Beate Dyballa: Ja, aber das ist typisch für die Gegend: Das sind nicht einfach nur Leute, die jetzt mal eben ein Geschäft machen wollen, und dann hauen sie wieder ab. Sondern die denken sich was dabei und die suchen eine Umgegend, in der das auch dankbar angenommen wird, und das hat sich in diesem Kiez so erhalten. Und ich glaube, das liegt wirklich da dran, dass dieser Kiez eine ganz langjährige Geschichte hat, im Leben zusammen und eben auch so einen Hintergrund in seinen Tätigkeiten und im Leben verwirklichen zu wollen.

Oliver Springer: Du ernährst dich ja seit Langem vegetarisch, aber du hast trotzdem einen Lieblingsfleischer.

Beate Dyballa: Oh ja, also man muss dazu sagen, ich bin seit 1980 Vegetarier, und zwar aus den allereinfachsten Gründen: Wat musste arme Tierchen töten? Dann esse ich lieber Gras. Es ist tatsächlich so, es ist wirklich so und ich stehe dazu. Und ich habe einen Großneffen, der leider eine Essstörung hat.

Und das Einzige von wenigen Speisen, die er essen kann, ist eine Putenwurst,. Die gab es früher bei ALDI. Und alle anderen Marken, die es sonst noch auf der Welt gibt, kann er nicht essen. Die Produktion von ALDI wurde eingestellt und ich habe alles abgegrast. Ich habe alles bundesweit abgegrast, um einen Ersatz zu finden, nur um bei mir um die Ecke fündig zu werden.

Und ich als Vegetarier – und mir fällt es schwer, in diesen Laden auch nur reinzugehen – gehe da regelmäßig einkaufen und es hat sich eine Freundschaft zwischen mir und diesen Leuten entwickelt. Wir duzen uns, ich ruf da an, legt mir das zurück. Und so läuft das bei uns im Kiez. Und ich liebe diese Leute für das, was sie machen, obwohl ich eigentlich dagegen sein müsste.

Aber ich erkenne ihre Gründe an, sie erkennen meine Gründe an. Ich gehe da rein, weil ich’s tun muss, weil mein Neffe das braucht zum Überleben. Und so läuft das, glaube ich, in der ganzen Gegend. Dass man irgendwie sich akzeptiert und den Willen hat zu verstehen, warum der andere das macht und warum der so ist, wie er ist. Und dann kommt man miteinander aus. Und wirklich dieser, dieser Fleischerladen ist von einem knochentief verwurzelten Vegetarier empfohlen. Ich bin zutiefst überzeugt, dass die gute Arbeit machen in dem, was sie machen.

Oliver Springer: Aber es ist auch ein Biofleischer, ne.

Beate Dyballa: Das ist ein Biofleischer und den sollte man auch noch mal interviewen, weil da ist natürlich auch eine Menge los, und er ist auch eine Institution in diesem Kiez. Aber wenn ein eingefleischter Vegetarier einen originalen Fleisch-Fleischer empfiehlt, dann könnt ihr diese Empfehlung ernst nehmen, weil da eine Menge mehr hinter steht, als irgendwo nur einkaufen zu gehen. Und das ist typisch für den ganzen Kiez, glaub ich.

Oliver Springer: Wenn Du mal eine Zeit lang nicht in der Gegend bist, wie fühlt sich das an, wieder zurückzukommen?

Beate Dyballa: Ich fahre um die Ecke, gucke auf die Straßen, ich liebe es, ich bin da zu Hause, ich liebe jede Laterne, jeden Buckel, jedes Loch und die Erinnerung, dass der olle Zille um eine Ecke gewohnt hat und andere Leute auch noch, mit denen ich geistig mich verwandt fühle, kann ich praktisch aus den Pflastersteinen saugen und ich bin da zu Hause. Ich will da nicht weg, ich krall mich da fest.

Oliver Springer: Da hast du das nächste Stichwort schon mal unfreiwillig angesprochen: Zille. Schon zu Zeiten von Heinrich Zille, der da in der Gegend gelebt hat, in der Sophie-Charlotte-Straße …

Beate Dyballa: Sophie-Charlotte-Straße, genau.

Oliver Springer: … gab es den Wochenmarkt schon, der immer noch veranstaltet wird.

Beate Dyballa: Genau, und so wollen wir das haben. Und wir wollen auf den Markt und wir wollen das angrabschen, wir wollen das fühlen. Wir wollen da beim Einkaufen frieren und unsere Nachbarn treffen, und das ist genauso wie im alten Früher.

Weil, ich bin ja auch schon etwas älter und kenne den Wochenmarkt noch praktisch so, wie das in Berlin so üblich war, wo also die Urberliner “Ei, Gewürze [?], meine Gurken sind die Besten” – praktisch so sind, und das ist da noch so. Das hat Tradition, das ist da einfach ununterbrochen so gewesen.

Oliver Springer: Das Angebot ist okay?

Beate Dyballa: Vielfältig, frisch und natürlich auch up to date. Aber wie gesagt, es ist einfach seit achtzehnhundert langsam immer da gewesen und entwickelt sich und bleibt praktisch Teil der Verbindung von Leuten zwischen Wohnen und Leben. Finde ich gut!

Oliver Springer: Als du damals in die Gegend gezogen bist, da sah manches natürlich noch ganz anders aus. Die Gegend hat sich im Laufe der Zeit verändert. Ein bisschen haben wir das auch schon angesprochen. Würdest du sagen: überwiegend zum Positiven? Oder hast du eher so gemischte Gefühle?

Beate Dyballa: Also es gab schon eine Zeit, wie gesagt, Mitte der 80er Jahre bis Anfang der 90er, wo man gesehen hat, dass man versucht hat, aufzukaufen und zu sanieren und die Gegend aufzuhübschen und möglichst die alten kleinen Läden rauszuekeln oder eben einfach die Mieten so zu verteuern, dass sie sich nicht mehr halten können. Und das irgendwie auch jetzt praktisch, so Juppi-mäßig und für das große Geld klarzumachen, weil es sich ja schon abzeichnete und gerade nach dem Mauerfall, dass Pankow und Berlin-Mitte irgendwann mal voll werden.

Und dass jetzt praktisch dann die Leute diesen Kiez auch für sich im Hochpreissektor entdeckt haben, aber: Die sollen sich warm anziehen, weil der alte Widerstandsgeist lebt halt in diesem Kiez. Und wir wollen das schon so haben, dass eben einfach auch finanziell schwächere Leute da immer noch wohnen bleiben, weil die einfach den Charakter der Gegend ausmachen.

Und da muss jeder andere Bezirk einfach in Berlin auch aufpassen, dass denen das nicht passiert, dass sie die Leute, die wirklich also diese, diese Heimat darstellen, nicht rausekeln, weil sonst haben wir nur noch nackte Wände und teure Geschäfte. Und da sollen sie mal ruhig kommen, da werden wir die schon irgendwie verekeln.

Oliver Springer: Obwohl sich ja vieles in der Gegend um den Klausenerplatz verändert hat, ist sie andererseits ja auch bekannt für, ja, ich sag mal für Tradition oder für, für, für, für bewahren, denn architektonisch ist da noch so viel erhalten. Also die Gebäude sind im Zweiten Weltkrieg relativ unbeschädigt geblieben und …

Beate Dyballa: Das stimmt nicht! In meinem Haus und nebenan, da lag ’ne Bombe und da hat sie das halbe Haus weggesprengt, also es gab schon Schäden, die sieht man nur nicht, weil es meistens die Hinterhöfe …

Oliver Springer: Aber im Vergleich zu anderen Gegenden …

Beate Dyballa: Ja, das stimmt.

Oliver Springer: Das ist weitgehend intakt geblieben, jetzt nicht komplett fabrikneu noch, aber da ist so viel erhalten geblieben und auch das denke ich, macht viel von dem Charm aus. Und was halt auch dazu passt ist, dass da auch noch so viel Gaslicht-Beleuchtung ist, was dann auch wieder sehr zu dieser Gegend passt.

Beate Dyballa: Das stimmt. Ja, das stimmt, aber wie gesagt, das ist auch den Anwohnern zu verdanken, dass es so geblieben ist, weil das sollte ja auch alles platt und neu ohne Schnörkel gemacht werden. Und das mit den Gaslaternen, das ist ein Problem, weil die haben wirklich ein besonderes Licht gegeben und diese, diese warme Atmosphäre noch verstärkt. Ich sehe es ein, dass man die irgendwie umstellen muss. Aber die Leute trauern dem auch hinterher.

Oliver Springer: Also es gibt auch eine Menge Argumente dafür, die zu erhalten. Also, es gibt auch eine Episode …

Beate Dyballa: Ich will meine Laterne behalten, und zwar weil ick Berliner bin, weil als Kind haste nämlich immer Wetten abgeschlossen: Mach mal die Gaslaterne an! Wie, mach mal die Gaslaterne an? Biste Berliner, kannste die Gaslaterne anmachen … Man musste dagegentreten. Und wer das nicht wusste, war kein Berliner.

Und wenn die jetzt die Gaslaternen wegmachen, dann kann man ja den Berliner-Beweis nicht mehr machen. Also, die Gaslaternen müssen auf jeden Fall auch erhalten bleiben.

Oliver Springer: Ja, also es gibt eine Extra-Episode noch, da spreche ich mit jemandem, der sich für diesen … Ja, es gibt einen Verein: Gaslicht-Kultur e.V.”. Und im Gespräch habe ich auch noch eine Menge gelernt über Gas-Licht. Zum Beispiel auch, dass das sehr gut ist, um beispielsweise zu vermeiden, dass so viele Insekten sterben, denn von dem Gaslicht ohne UV-Anteil werden die nicht angezogen. Das ist also an dem Punkt zum Beispiel ein Beitrag zum Umweltschutz.

Beate Dyballa: Ich bin dabei, das ist genau das, was einem hinterher bestätigt wird, was man mit einem Gefühl, mit dem Bauch fühlt. Und dann kommen die wissenschaftlichen Argumente und bestätigen dir das. Da bin ich dabei.

Oliver Springer: In der Regel hören die Leute andersrum sowieso nicht zu, aber das ist ein ganz anderes Thema.

Beate Dyballa: Das freut mich. Jawohl, Gas-Licht, bin ich dafür, ich koche auch lieber auf Gas. Also ja, es hat eine gewisse Qualität.

Oliver Springer: Okay, also dafür haben wir auch eine weitere Episode. Ähhmmm, aber es trägt halt doch auch zur Gegend bei, die dann auch natürlich, da sind wir wieder beim nächsten Thema, gut passt zu dem, was nebenan ist: Das Schloss ist natürlich ein Stückchen älter noch, aber so harmoniert das Ganze schon sehr gut. Also, das Schloss ist nebenan und dann auch zahlreiche bekannte Museen. Da kommen viele, viele Touristen in der Gegend, das ist manchmal schwer, dann sozusagen den Heimweg zu finden, wenn man sich da durchschieben muss, laufen die eigentlich auch zufällig mal, dann …?

Beate Dyballa: Alle. Also, ich muss eines sagen: Ich bin ja wie gesagt, etwas älter und West-Berliner. Als die Mauer noch war, lag das Goldene Buch der Stadt im Schloss Charlottenburg. Und ich habe sie alle gesehen: Lady Diana hat mir zugewinkt und haste nicht gesehen, aber für uns ist natürlich die Hölle. Weil für uns bedeutet das natürlich nicht: “Ohhh, da kommt der Prinz aus Zamunda”, sondern “Bohhh, ich kriege keinen Parkplatz”, “Bohhh, meine Straße ist gesperrt”. Und jetzt ist schon wieder Weihnachtsmarkt am Schloss Charlottenburg und alle wollen bei mir vor der Tür parken.

Es nervt, aber man trägt es mit Fassung, weil es ist ja auch ein Rahmen von Kultur, dass man eben nicht nur klein und klein in seinem Kiez rummacht, sondern: Nofretete hat bei mir um die Ecke gewohnt, bis sie dann einfach wieder weggenommen wurde, in ein anderes Museum gebracht wurde, was mich schwer getroffen hat. Sie war so lange meine Nachbarin.

Und natürlich sind wir froh, dass wir da Museen haben und Leute auch vorbeikommen, die dann auch wieder die Gegend beleben und einfach auch in die Lokale gehen, wo die Leute, die da arbeiten, ja auch in der Gegend wohnen. Also, wir brauchen das auch. Wir brauchen Touristen und wir mögen euch und wir finden das auch gut, wenn ihr da kommt und abends auch wieder weggeht.

Oliver Springer: Ich wollt’s gerade sagen.

Beate Dyballa: Jawohl, und parkt nicht vor meiner Haustür!

Oliver Springer: Ja, im Gegensatz zu manch anderem Teil auch von Charlottenburg gibt’s jetzt direkt in der Wohngegend nicht so viel Grün, wobei ich erfahren habe, bei der Recherche, dass es früher noch ganz anders war, da gab es gar keine Bäume. Inzwischen ist ja einiges schon gepflanzt, aber …

Beate Dyballa: Das stimmt nicht.

Oliver Springer: Jetzt so verglichen …

Beate Dyballa: Wer hat dir das erzählt?

Oliver Springer: Na so ein bisschen, also im Vergleich …

Beate Dyballa: Nee, dann musst du im Frühling vorbeikommen, weil nach Straßen geordnet, die Bäume auch verschiedene Blätter entwickeln und blühen. Zum Beispiel in der Neufertstraße und der Neuen Christstraße sind die Bäume als Erstes grün. Und das alleine, da durchzufahren, aber auch nicht immer. Hä-pä-pä! Wer wohnt da du oder ich?

Oliver Springer: Okay, dann am besten selbst vorbeigehen und da recherchieren. Aber so im Vergleich zu anderen Gegenden von Charlottenburg gibt es nicht sooooo viel Grün, aber vor der Tür neben.

Beate Dyballa: Ihr merkt: mein Lokalpatriotismus. Ich lasse auf meine Straßen nix kommen! Es ist grün, es ist wunderbar, wir lieben unsere Bäume, wir gießen die im Sommer. Wir pflanzen da noch kleine Zäunchen und Blümchen rum, und wir wollen es grün haben und draußen sitzen.

Und wenn wir woanders hinmüssen, wo noch mehr Grün ist, ist immer der Schlosspark die erste Adresse, weil da läuft natürlich auch eine ganze Menge an Veranstaltungen für junge Leute Musik und für die Kinder – weiß ich nicht – irgendwelche Märkte oder schöne Sachen. Einfach zum Chillen ist es schön. Und immer dieses wunderbare Gefühl dabei, dass der König und die Königin uns das nicht mehr wegnehmen können.

Und da, wo früher die reichen Leute von goldenen Tellern gefressen haben, während die anderen Leute nix hatten, da tanzen wir jetzt und machen uns eine schöne Zeit. Und das macht auch eine Menge Spaß aus, im Schlosspark spazieren zu gehen.

Oliver Springer: Und auf der anderen Seite gibt es noch den Lietzenseepark.

Beate Dyballa: Und der ist wunderschön, bietet irgendwie auch Gastronomie und Erholung und einfach das Park-Feeling. Eigentlich ist das einfach nur eine schöne Gegend, um zu laufen und alles zu haben: Grün und viele kleine, schöne Läden. Ich liebe es!

Oliver Springer: Dann: Danke fürs Mitmachen.

Beate Dyballa: Bitte sehr, für die Gegend bin ich immer zu haben, um da irgendwie die Leute davon zu überzeugen, dass das unbedingt so bleiben muss.

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